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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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alles still. Da, hinter einem mannshohen Ginsterstrauch, ist das nicht Nuccios auffälliger rotblonder Haarschopf? Sie muss grinsen – sie hat ihn gefunden!
    Wieder will sie seinen Namen rufen, will ihm sagen, dass er entdeckt ist, aber ihr Ruf geht in ohrenbetäubendem Motorenlärm unter. In Sekundenschnelle schwillt das Dröhnen an und der Schatten eines Riesenvogels verdunkelt den Himmel.
    Ein Flugzeug, sehr tief und direkt über dem Vatikan!
    Seit Krieg ist, hat Adriana viele Flugzeuge am Himmel über Rom gesehen, aber keins ist so dicht über den Kirchenstaat hinweggeflogen. Keins.
    Sie bekommt Angst, und die Angst wächst, als etwas aus dem Bauch des Flugzeugs fällt. Es sieht aus wie ein brutmüder Vogel, der seine Eier abwirft.
    Bomben!
    Sie weiß, dass Bomben schlimm sind. Auch auf Rom sind schon welche gefallen. Sie zerstören Häuser, töten und verstümmeln Menschen.

    Ohne lange zu überlegen, lässt sie sich fallen und stößt einen warnenden Schrei aus. Aber Nuccio wird sie kaum hören können. Das laute Brummen des Flugzeugs verschluckt jedes Geräusch.
    Ein schrilles Pfeifen mischt sich in den Motorenlärm, wird lauter und lauter, obwohl Adriana, die bäuchlings im Gras liegt, die Hände über ihren Kopf hält und die Unterarme gegen die Ohren presst. Sie drückt die Augen fest zu, als könnte sie das drohende Unglück dadurch vertreiben.
    Mehrere Explosionen erfolgen so rasch hintereinander, dass sie zu einem einzigen Donner verschmelzen. Ein Laut, der alles durchdringt und alles verschluckt, der jedes andere Geräusch auslöscht. Adriana spürt noch einen heftigen Schlag gegen den Hinterkopf.
    Das ist das Letzte, woran sie sich erinnert, als sie wieder zu sich kommt.
    Haben die Bomben ihr das Augenlicht genommen? Sie sieht nichts.
    Aber sie spürt etwas: heftige Kopfschmerzen und einen Druck, der auf ihrer Brust lastet.
    Sie liegt auf dem Rücken und tastet ihren Oberkörper ab.
    Steine und Erde liegen darauf. Adriana räumt die Last beiseite und befühlt ihren Kopf. Als ihre Hände klebrig sind, weiß sie sofort, dass es Blut ist Ihr Blut.
    Sie will aufstehen, schlägt aber mit dem Kopf an, und der Schmerz in ihrem Schädel vervielfacht sich. Sie stößt einen Schmerzensschrei aus, der in ein Jammern übergeht. Niemand scheint sie zu hören, auch nicht, als sie wieder lauter ruft. Immer wieder schreit sie Nuccios Namen in die Finsternis. Nichts.
    Sie muss sich in einer Art Höhle befinden, immerhin hoch genug, dass sie sich auf allen vieren fortbewegen kann. Ein Gedanke schießt ihr durch den Kopf: Wie wird ihre Mutter schimpfen, wenn sie so verdreckt heimkommt! Falls sie heimkommt.

    Die schlimmsten Vorstellungen ergreifen Besitz von ihr.
    Vielleicht ist sie unter einer so dicken Schicht von Erdreich und Gestein begraben, dass niemand sie hier finden kann. Was wird dann geschehen? Wird sie ersticken, verhungern oder verdursten? Werden die Ratten an ihr nagen?
    Sie tastet die unebene Decke ab und versucht vergeblich, sie zu durchstoßen, um ein Loch nach oben zu bohren, in die Freiheit. Also kriecht sie an den Wänden ihres Gefängnisses entlang, bis sie ein leises Geräusch vernimmt. Sie verharrt einen Augenblick, hält den Atem an und lauscht. Da ist es wieder, das Miauen einer Katze!

Adriana kriecht in die Richtung, aus der der Laut kommt, und spürt plötzlich einen Luftzug im Gesicht. Aufgeregt schiebt sie sich schneller voran, bis sie enttäuscht gegen eine weitere Wand stößt. Ihre Hände ertasten grobe, unbehauene Steine. Aber dann findet sie eine Lücke. Dort liegt loses Geröll. Sie räumt es in fieberhafter Hast beiseite, ohne darauf zu achten, dass sie sich die Haut an Händen und Armen abschürft und dass ihre Fingernägel abbrechen.
    Endlich ist die Lücke groß genug, dass Adriana sich hindurchzwängen kann. Dabei berührt sie etwas Weiches, das zurückspringt und ein erschrockenes Fauchen ausstößt.
    «Hab keine Angst, Kätzchen», sagt Adriana, leise, um das Tier nicht noch mehr zu erschrecken. «Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen. Kennst du einen Weg, der nach oben führt?»
    Die Antwort besteht aus einem Miauen, von dem sie nur hoffen kann, dass es «ja» heißt.
    Die Katze läuft weg, und Adriana folgt ihr hastig, noch immer auf allen vieren. Dann wird der Gang größer, so dass sie erst in geduckter Haltung laufen und sich schließlich ganz aufrichten kann.
    Der Luftzug ist stärker geworden. Irgendwann sieht sie vor sich ein winziges Licht. Es ist nur ein

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