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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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Fells habe ich meinen kleinen Beschützer Tiger genannt.»
    «Sehr interessant», sagte Alexander giftig und zog ein Taschentusch aus seiner Jacke. Das hielt er unter einen rostigen Wasserhahn und tupfte die Wange ab. Über dem Waschbecken hing ein halb blinder Spiegel. Die Risse in seiner Haut waren tief.
    «Ich nehme an, dass Sie diesen Vorfall in Ihrer Zeitung nicht erwähnen werden», sagte Signora del Grosso gelassen. «Denn ich glaube nicht, dass Sie überhaupt einen Artikel schreiben wollen.»
    «Wie kommen Sie darauf?», fragte Elena.
    Wieder trat ein wütender Ausdruck in das runzlige Antlitz.
    «Meinen Sie, nur weil ich alt und wunderlich bin, bin ich auch dumm? Ich habe Ihre seltsamen Blicke durchaus bemerkt.
    Außerdem finde ich es reichlich merkwürdig, dass Sie sich weder Notizen machen noch ein Aufnahmegerät benutzen.
    Komische Journalisten sind Sie!»
    «Ich arbeite wirklich für den Messagero » , sagte Elena mit einer Spur Empörung.
    Die Alte wandte sich zu Alexander um. «Und Sie?»
    «Ich diene in der Schweizergarde.»
    Die Augen der Katzennärrin wurden größer. «Wirklich? In der Schweizergarde des Papstes?»
    Er lächelte dünn. «Ich glaube, heutzutage gibt es nur die eine.»
    «Und wenn schon.» Signora del Grosso zuckte mit den Schultern. «Sie haben mich belogen. Also machen Sie, dass Sie fortkommen!»
    «Schade», seufzte Alexander und trat zu Elena. «Offenbar haben wir uns von Pater Borghesis Hinweis zu viel versprochen.»
    «Sagten Sie Borghesi?», fragte die Signora. «Giorgio Borghesi?»
    «Ganz recht.»
    Sie starrte ihn prüfend an. «Sie haben Monsignore Borghesi gekannt?»
    «Er ist in meinen Armen gestorben. Und er sagte mir, ich solle die Katzennärrin fragen. Das waren seine letzten Worte.»
    «Fragen? Wonach?»
    «Nach dem Hort des Bösen, der sich angeblich unter Sankt Peter befinden soll.»
    «Warum hat der Monsignore Ihnen gegenüber davon gesprochen?»
    «Er wollte mir etwas Wichtiges mitteilen oder mich warnen.
    Leider konnte er mir nicht mehr alles sagen. Wer auch immer für seinen Tod verantwortlich ist, er wollte Borghesi zum Schweigen bringen.»
    «Ja, ich habe gelesen, dass es Mord gewesen sein soll», sagte die Signora leise. Sie setzte sich wieder hin und starrte nachdenklich ins Leere. Schließlich sagte sie: «Hören Sie zu, ich will Ihnen eine Geschichte erzählen …»

    Krieg!
    Dieses Wort hat ihre kleine Welt verändert. Die Welt heißt Vatikan und war früher sehr ruhig. Die kleine Adriana, Tochter des vatikanischen Gärtners Emilio Vivarelli und seiner Frau Maria, die in der vatikanischen Wäscherei arbeitet, hat lange zu den ganz wenigen Kindern gehört, die hinter den Mauern des Kirchenstaates leben. Sie ist sogar hier auf die Welt gekommen.
    Die Vivarellis leben in einer kleinen Wohnung unter der Sixtinischen Kapelle. Man hatte ihnen eine größere Wohnung im Vatikanpalast in Aussicht gestellt, aber dann durften sie doch nicht dort einziehen. Auch daran ist der Krieg schuld. Er hat viele fremde Menschen in den Vatikan gebracht, Männer, Frauen und Kinder. Flüchtlinge, die sich erst vor den Faschisten verstecken mussten und dann vor den Deutschen. Alle müssen zusammenrücken und die Vivarellis können froh sein, dass sie ihre kleine Wohnung behalten dürfen.
    Adriana ist den Faschisten und den Deutschen gar nicht so böse. Die Fremden bringen Aufregung und Abwechslung in ihre Welt. Und mit den vielen neuen Kindern lässt sich wunderbar spielen. Ganz besonders mit Nuccio. Nuccios Vater hat Flugblätter verteilt, in denen er zum Widerstand gegen die Faschisten aufgerufen hat. Deshalb musste er mit Frau und Sohn in den Vatikan fliehen.

    Die Tage gehen dahin und bald ist in Adrianas Leben auch der Krieg nichts Besonderes mehr. Bis zu jenem Tag, als sie mit Nuccio zwischen Mosaikwerkstatt und Bahnhof Verstecken spielt. Das Gelände ist hügelig und mit üppigem Gebüsch bewachsen. Adrianas Vater muss es sich in diesem Jahr noch vornehmen, der Krieg hat seinen Arbeitsplan durcheinander gebracht. Aber gerade deshalb haben die Kinder sich diesen Ort für ihr Spiel ausgesucht.
    Adriana hat langsam bis zehn gezählt und macht sich auf die Suche.
    Mehrmals ruft sie Nuccio, aber der fällt nicht auf den plumpen Trick herein. Sie läuft zwischen den Büschen hindurch und schaut in jedes nur mögliche Versteck.
    Das leise Knacken eines Zweigs lässt sie anhalten und ihr Kopf ruckt nach links. Aus dieser Richtung ist das Geräusch gekommen. Aber jetzt ist wieder

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