Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
nicht«, fügte ich hinzu.
    H. P. nickte.
    »Werden wir uns wiedersehen?« fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete H. P. »Ich glaube nicht.
    Jedenfalls nicht bald. Rowlf und ich müssen zurück. Wir sind schon viel zu lange hier. Es ist gefährlich, durch die Zeit zu reisen. Und noch etwas.«
    »Ja?« fragte ich, auf eine weitere Hiobsbotschaft gefaßt.
    H. P. griff in die Westentasche und förderte etwas Kleines, Graues zutage, das er mir gab. Es war ein Stein, ein sehr schwerer Stein, der die Form eines plumpen, fünfzackigen Sternes hatte. Auf seiner Oberfläche waren sonderbare, kabbalistisch anmutende Symbole eingeritzt.
    »Was ist das?« fragte ich.
    »Vielleicht eine Waffe«, antwortete H. P. »Es ist ein Sternstein von M’nar. Es gibt nur eine Handvoll davon auf der Welt, und dies ist der einzige, den ich besitze. Er … wirkt tödlich auf manche Dienerwesen der Großen Alten.«
    Jetzt verstand ich. Dies war der Stein, mit dem er den Schoggothen vernichtet hatte, der mich vor seinem Haus überfiel.
    Dankbar schloß ich die Faust darum.»Und«, fuhr H. P. fort,
    »ich weiß nicht, ob es dir helfen wird, aber es gibt … es gab da etwas, das deinem Vater immer von großem Nutzen war. Eine Waffe. Ein Spazierstock, in dessen Knauf sich ein ebensolcher Stein verbarg. Wenn du ihn siehst, nimm ihn an dich.«
    Ich nickte abermals, sah ihn einen Herzschlag lang an und wandte mich dann mit einem Ruck um, um zum Haus hinüber-zugehen. Es hätte noch so vieles gegeben, was ich hätte sagen können, aber nichts davon hätte irgend etwas geändert. Und die Zeit wurde knapp. Ich widerstand sogar der Versuchung, noch einmal zu ihm und Rowlf zurückzublicken, als ich die andere Straßenseite erreicht hatte und das Gartentor öffnete.
    Es war beinahe unheimlich still. Der Garten lag finster und schweigend vor mir, und auch in ihm waren Dinge, die nicht da sein sollten, sonderbare kranke, abartige Gebilde, die zu fixieren mein Blick sich weigerte und die ich auch gar nicht sehen wollte. Als ich die Tür erreichte, fiel mir mit einemmal siedendheiß ein, daß mir mein Schlüssel im Yard abgenommen worden war.
    Doch mein Schrecken währte nur eine Sekunde.
    H. P. wäre nicht H. P.. wenn er nicht dafür gesorgt hätte, daß ich in das Haus hineinkam: Die Tür stand offen.
    Es wäre ja wohl auch gar zu lächerlich, wenn die Rettung der gesamten Menschheit durch Robert Craven II. an einer solchen Banalität wie einer verschlossenen Tür scheitern würde!
    Vorsichtig trat ich ein. In der Halle brannte Licht, und soweit ich erkennen konnte, war hier noch alles in Ordnung. Ich schloß die Tür hinter mir, sah mich sicherheitshalber noch einmal sehr aufmerksam um und ging schließlich die Treppe hinauf. Auch die Tür zum Arbeitszimmer stand offen, und dahinter brannte Licht, und plötzlich kamen mir doch Bedenken, ob es wirklich H. P. gewesen war, der all dies für mich vorbereitet hatte. Ich fragte mich, was ich tun würde, wenn ich hinter jener Tür plötzlich wieder dem Geist meines Großvaters gegenüberstehen sollte.
    Zögernd schob ich die Tür auf, betrat das Zimmer und sah nach rechts. Die Uhr stand da, reglos und groß und häßlich, wie sie seit hundert Jahren dagestanden hatte, doch gleichzeitig ging eine fühlbare knisternde elektrische Spannung von ihr aus, die einem das Atmen schwer machte. Ich näherte mich ihr bis auf zwei Schritte, blieb stehen und blickte die vier Zifferblätter fast herausfordernd an. Die Zeiger des größten mithin des einzigen, das auch wirklich die Zeit anzeigte hatten sich beinahe auf der Zwölf vereinigt. Ich war gerade noch zurecht gekommen, es war eine, allerhöchstens anderthalb Minuten vor Mitternacht.
    »In Ordnung«, sagte ich laut, und ich kam mir dabei nicht im mindesten albern vor, obgleich ich mit einer Uhr sprach. »Du hast gewonnen, du Ungeheuer. Mach mit mir, was du willst.«
    »Ich will doch nicht hoffen, daß Sie mit dieser Bemerkung mich gemeint haben«, sagte eine Stimme hinter mir. »Bisher haben wir uns doch trotz allem wie zivilisierte Menschen benommen, nicht wahr? Es wäre schade, wenn wir jetzt anfangen würden, uns wie die Kinder gegenseitig zu beleidi-gen. Seien Sie bitte so freundlich und nehmen Sie die Hände hoch.«

    Ich erstarrte sekundenlang, dann hob ich ganz langsam die Hände und drehte mich herum.
    Captain Jeremy Card stand keine drei Schritte hinter mir, lässig gegen die Kante des gläsernen Schreibtisches gelehnt und ein schon beinahe süffisantes

Weitere Kostenlose Bücher