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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Möglichkeiten, wie die Zukunft dieser Welt aussehen würde.
    Aber jetzt ist die Chance fast dahin. Die Großen Alten haben so gut wie gewonnen. Was du dort siehst «, er deutete wieder aus dem Fenster, » ist die Welt, wie sie sein wird, nach ihrem Sieg.«
    Fassungslos starrte ich weiter auf die Straße hinaus.
    Die Veränderungen waren jetzt unübersehbar, mit jedem Moment. Die ganze Welt rund um mich, war von so unbeschreiblich grausamen Verzerrungen entstellt, daß ich entsetzt die Hände vors Gesicht schlug.
    »Ich verstehe das nicht«, flüsterte ich.
    »Es ist auch schwer zu verstehen«, antwortete H. P. »Nicht einmal ich begreife es wirklich, obgleich ich gewisse …
    Erfahrungen mit dem Phänomen der Zeit habe. Stell dir jene Nacht als eine Art Kreuzweg vor. Die eine Abzweigung weist in die Zukunft, die ein Sieg deines Vaters ermöglicht deine Welt, Robert, und die all dieser Menschen hier. Die andere führt zur Welt der Großen Alten.«
    »Die Zukunft?« Ich drehte mich zu ihm um und starrte ihn an. »Meine Welt?«
    H. P. nickte stumm. Ich hatte es längst begriffen, ja, im Grunde hatte ich es von Anfang an gewußt, auch wenn ich es nicht hatte wahrhaben wollen. »Du kommst aus der Vergangenheit, nicht?« flüsterte ich.
    »Rowlf und du, ihr … ihr stammt nicht aus dieser Zeit?«
    H. P. nickte ernst. »Ja, Robert. Für mich ist die Nacht, in der dein Vater starb, heute. Ich … bin hierhergekommen, um dich zu holen. Du bist unsere letzte Chance.«

    Ich begriff. Und ich begriff auch, was er nicht aussprach: Ich hatte gar keine andere Wahl, als mich dem Dämon der Uhr zu stellen. Wenn ich es nicht tat … nun, ein Blick aus dem Fenster zeigte mir, wie die Welt aussehen würde, in der ich weiterleben mußte.
    »Also?« fragte H. P. nach einer Weile.
    Ich sah langsam weg. Ich hatte Angst. »Fahrt weiter«, sagte ich.

    Das Haus lag still und schwarz wie ein Monolith auf der anderen Straßenseite. Rowlf hatte die Kutsche an derselben Stelle geparkt, an der er auch die beiden Male zuvor gestanden hatte näher, so hatte H. P. erklärt, könne er nicht an das Haus heran, wollten sie nicht Gefahr laufen, gewisse finstere Mächte zu früh auf ihr Hiersein aufmerksam zu machen. Und er hatte noch mehr gesagt etwas, das mir weit mehr Kopfzerbrechen bereitete als seine erste Bemerkung: nämlich, daß er aus Gründen, die zu erklären ihm jetzt keine Zeit mehr bliebe, mich nicht ins Haus begleiten könne , was im Klartext nichts anderes bedeutete, als daß ich allein sein würde, wenn ich Priscilla gegenüberstand. Und praktisch waffenlos. H. P. hatte nicht viel Zweifel daran gelassen, daß mir weder die Pistole noch diverse andere Waffen, die sich im Haus auftreiben lassen mochten, sehr viel nützen würden. Nicht gegen die Wesen, mit denen ich es zu tun hatte.
    Mir blieb nicht mehr viel Zeit. H. P. hatte von einer Stunde gesprochen, als wir vor dem Yard in die Kutsche gestiegen waren, aber wir hatten den Großteil dieser Frist mit der Fahrt hierher aufgebraucht Rowlf war gefahren, so schnell er nur konnte, aber eine Kutsche ist nun einmal ein langsames Fahrzeug und London eine verdammt große Stadt. Fröstelnd blickte ich zum Haus hinüber, dann nach rechts und links. Die bizarren Veränderungen, die mit der Welt oder der Wirklichkeit, wie H. P. es genannt hatte, ich selbst sah da eigentlich keinen Unterschied vor sich gegangen waren, hatten auch von diesem Teil der Stadt bereits Besitz ergriffen.
    Unbestimmbare finstere Lebewesen schienen den dunklen Platz zu bevölkern und über der Skyline von London erhob sich drohend ein riesiger zyklopischer Schatten, wie ein auf entsetzliche Weise in sich verdrehter, gigantischer Wurm. Und es ging weiter.
    Ich wollte losgehen, aber H. P. hielt mich noch einmal am Arm zurück. »Es … gibt noch etwas, das ich dir sagen muß, Robert«, sagte er.
    »So?« Ich versuchte vergeblich, meiner Stimme einen scherzhaften Ton zu verleihen. »Jetzt sag nicht, daß du eine schlechte Neuigkeit für mich hast.«
    H. P. blieb sehr ernst. »Du hast eine gute Chance, Robert«, antwortete er. »Aber ich … ich will ehrlich zu dir sein. Selbst wenn du es schaffst … ich weiß nicht, ob du es überlebst.«
    »Wie beruhigend«, sagte ich. »Und du kannst nicht … ich meine, so ein kleiner Blick in die Zukunft? Nur ein paar Stunden?«
    »Ich kann nur die Zukunft sehen, wie sie sein könnte«, antwortete H. P. »Es gibt mehr als eine Zukunft, Robert. In einigen davon lebst du.«
    »Und in einigen

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