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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kleider und mein Haar und mein ungeschütztes Gesicht. Gleichzeitig begann Priscilla zu wanken, zu taumeln, dann kippte sie wie eine Puppe, die aus dem Gleichgewicht gebracht worden war, zur Seite und stürzte leblos zu Boden.
    Aber das Siegel fiel nicht.
    Es hing schwerelos in der Luft, gehalten von dreizehn dünnen, grellweißen Bahnen aus Licht, und es begann zu wachsen!
    Das Siegel pulsierte, schlug wie ein giftgrünes kristallenes Herz, im selben unheimlichen Rhythmus wie vorhin die Uhr, und bei jedem Schlag wuchs sein Umfang.
    Zu spät! dachte ich entsetzt. Ich war zu spät gekommen. Den Bruchteil einer Sekunde zu spät!
    Plötzlich mischte sich ein widerwärtiger, heulender Laut in das Zischen der Blitze und den dumpfen Herzschlag des Siegels. Ich verbarg das Gesicht zwischen den Armen, kroch rücklings aus dem Zimmer hinaus und sah hoch.
    Es war noch nicht vorbei; im Gegenteil es begann erst richtig!
    Die Blitze hatten nur den Weg bereitet. Sie bildeten Tunnel, durch die die Großen Alten ihr Gefängnis zwischen den Dimensionen verließen! Ich sah, wie sich einer der Blitze weitete und in seinem Inneren etwas herankroch. Etwas Gigantisches, Wurmartig-Formloses mit schwarzer, schimmernder Haut und glotzenden Monsteraugen, eine unbeschreibliche Spottgeburt mit peitschenden schlangenähnli-chen Armen und zahllosen schnappenden Mäulern. Obwohl ich das Scheusal hinter dem wabernden Vorhang aus Energie nur als Schemen erkennen konnte, trieb mich der Anblick fast in den Wahnsinn. Und wahrscheinlich war der Umstand, daß ich es nicht genauer sah, auch der einzige Grund, warum ich diese Sekunde überlebte, denn die Großen Alten sind Wesen, deren bloßer Anblick tötet. Ein zweites ebenso abscheuliches Ungeheuer kroch durch den nächsten Blitz heran und näherte sich dem Siegel, das mittlerweile schon fast den halben Salon ausfüllte, ein drittes, viertes … Cthulhu, Azatoth, Schab-Niggurath und Schudde-Mell, Hastur der Unaussprechliche und Jog-Sothoth, das ganze Bestiarium einer seit zweihundert Millionen Jahren untergegangenen Zeit sie erwachten! Der Gedanke lähmte mich derartig, daß ich die unmittelbare Gefahr, in der ich mich noch immer befand, beinahe vergaß.
    Ich fand erst in die Wirklichkeit zurück, als ich Card gellend aufschreien hörte. Ich fuhr herum, gewahrte aus dem Augen-winkel ein Huschen und warf mich instinktiv nach links. Der sengende Flammenblitz des Wächters brannte ein kopfgroßes Loch in die Fliesen neben mir, und ein ungeheuerlicher Fuß aus schwarzem Schlamm stieß nach meinem Gesicht. Ich versuchte auch diesem zweiten Angriff auszuweichen, schaffte es nicht ganz und wurde mit der Wucht eines Vorschlagham-mers am rechten Bein getroffen. Hilflos schlitterte ich durch die Halle, prallte gegen den Fuß der Treppe und blieb halb gelähmt liegen. Ein monströser, mißgestalteter Schatten torkelte auf mich zu. Ich versuchte mich aufzurichten, aber mein Bein knickte kraftlos unter dem Gewicht meines Körpers weg, und ich fiel abermals, diesmal nach vorne und aufs Gesicht. Und auf etwas Kleines, Hartes. Der Sternstein von M’nar!
    Wieder war es, als übernehme etwas in mir die Kontrolle über mein bewußtes Handeln. Meine Hand schloß sich um den winzigen grauen Stein, ich fühlte, wie ich mich mit einer Kraft herumwarf, die ich eigentlich gar nicht mehr hätte haben dürfen, und gleichzeitig bewegte sich mein rechter Arm nach oben, in einer weit ausholenden, schwungvollen Bewegung.
    Es war wie vorhin, im Salon: Trotzdem alles rasend schnell ging, sah ich es mit phantastischer Klarheit, und die Dinge schienen zehnmal langsamer vor meinen Augen abzulaufen, als sie es in Wirklichkeit taten.

    Der Wächter schien die Gefahr, die ihm von dem harmlos aussehenden Stein drohte, instinktiv zu spüren, denn er setzte seinen begonnenen Angriff auf mich nicht fort, sondern prallte im Gegenteil mitten in der Bewegung zurück, als ich den Stein schleuderte. Und damit besiegelte er nicht nur sein eigenes Schicksal.
    Über mir kroch eine weitere schwarze Spottgeburt durch einen der aufgedunsenen Blitzkanäle heran, vielleicht die letzte der dreizehn höllischen Gottheiten und der Wächter taumelte in seiner Angst direkt in die Bahn des Blitzes hinein! Für den Bruchteil einer Sekunde schienen die beiden gräßlichen Kreaturen miteinander zu verschmelzen. Der Große Alte war der Wächter, und der Wächter der Große Alte, Schöpfer und Geschöpf wurden eins. Genau in diesem Moment traf der Sternstein von

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