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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tausendmal schlimmer, als es jeder Nachtmahr sein konnte.
    Das Zimmer war ein Chaos aus Licht und Hitze, in dem sich alle Gegenstände wie in grellweißleuchtender Säure aufzulösen schienen. Die Decke war ein Himmel aus waberndem, weißem Feuer, in dem sich die Schlangenlinien der lodernden Blitze vereinigten. Nur schattenhaft erkannte ich die Gestalten meines Vaters und Priscillas unweit der Stelle, an der ich sie das erste Mal gesehen hatte, aber auf entsetzliche Weise verändert.
    Mein Vater lag reglos und in schrecklich verkrümmter Haltung da, noch am Leben, aber sichtlich unfähig, sich zu bewegen. Sein rechter Arm war nach etwas Länglichem, Dunklem ausgestreckt, an dessen Ende ein winziger Stern zu flammen schien. Das mußte der Stockdegen sein, von dem H.
    P. gesprochen hatte. Und Priscilla …
    Im ersten Moment erkannte ich sie kaum wieder.

    Sie war nur noch eine halb durchsichtige, unter einem ver-zehrenden inneren Feuer glühende Gestalt, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der dunkelhaarigen Schönheit hatte, die sie einmal gewesen war. Zuckende blaue und weiße Blitze rasten in unablässiger Folge über ihren halbverbrannten Körper, und in ihren Händen lag etwas, dessen bloßer Anblick mich mit namenlosem Grauen erfüllte; ein Gegenstand, unmöglich zu beschreiben, den die Aura des Bösen wie eine finstere Korona zu umgehen schien.
    War ich zu spät gekommen? Ich versuchte die Blitze zu zählen, die sich bereits ihren Weg in das feuerummantelte Ding in Priscillas Händen gebrannt hatten, kam bis zehn und wäre um ein Haar in der gleichen Sekunde pulverisiert worden, als der elfte Blitz die Wand hinter meinem Rücken durchschlug und sich zischelnd keinen halben Yard neben mir vorbei-schlängelte.
    Und in diesem Moment hob die sterbende Gestalt meines Vaters den Blick und sah mich an. Ich wußte, was er sah. Ich hatte es ja selbst gesehen, durch seine Augen.
    »Vater!« schrie ich. »Halt aus! Ich komme!«
    Ich stürzte vor, tauchte unter den zuckenden Blitzen hindurch und versuchte Priscilla zu erreichen, aber in diesem Moment zermalmte der zwölfte Blitz die Stirnwand des Raumes. Ein ganzer Hagel aus Steinen und brennendem Holz ging auf mich nieder. Ich stürzte, blieb eine halbe Sekunde benommen liegen und stemmte mich wieder hoch. Ich war kaum eine Armeslän-ge neben meinem Vater aufgekommen, und für einen winzigen Moment trafen sich unsere Blicke.
    Das Staunen in seinen Augen wandelte sich in Erkennen, in eine verzweifelte, jähe Hoffnung, und dann … griff etwas nach meinem Geist, berührte ihn wie eine warme, starke Hand und verschmolz damit.
    Und ich wußte.

    Es war wohl die reinste, direkteste Art der Kommunikation, die es gab. Es war keine Telepathie, keine Gedankenübertragung, nein, es war die Vereinigung zweier Geister: Schlagartig stand mir das umfassende Wissen eines ganzen Lebens zur Verfügung, so als hätte ich selbst es gelebt, und nicht mein Vater. Die Gestalt mit der blitzförmigen weißen Haarsträhne neben mir sank lautlos zurück, und ich wußte, daß er tot war, gestorben im gleichen Moment, in dem sich sein Geist mit dem meinen verbunden hatte, aber ein Teil von ihm lebte in mir weiter und sagte mir mit unerschütterlicher Gewißheit, was ich tun mußte, was meine allerletzte Chance war, das Erwachen der dämonischen Götter zu verhindern. Blindlings warf ich mich vor, raffte den Stockdegen meines Vaters an mich und stach mit dem flammenden Stern schräg nach oben, nach dem Siegel in Priscillas Händen.
    Die Zeit schien stehenzubleiben. Die Bewegungen gerannen zur Zeitlupe, und ich sah und hörte alles mit fast magischer Klarheit: Ich sah, wie sich die nadelscharfe Spitze der magischen Waffe dem Siegel näherte, wie sich Priscillas Gesicht vor Entsetzen verzerrte, als sie begriff, daß der Degen das Siegel zerstören würde.
    Aber ich sah auch noch etwas: Die Decke jenseits des wabernden Himmels aus Feuer barst unter dem Faustschlag eines zornigen Gottes, und der dreizehnte, allerletzte Blitz sengte sich seinen Weg in das Siegel hinab.
    Er traf den lebenden Riesenkristall, einen Sekundenbruchteil bevor die Spitze des Stockdegens ihn berührte.
    Und die Welt schien zu explodieren. Ein entsetzlicher, unbeschreiblich gräßlicher Schmerz zuckte durch meinen Arm, der den Degen hielt. Ich brüllte in schierer Agonie auf, warf mich zurück und schleuderte den Degen von mir. Die Waffe glühte noch im Flug auf und zerfiel zu Asche. Feuer regnete rings um mich zu Boden, traf meine

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