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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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vergessen und zugestaubt.
    Es wird so weit kommen, dachte Bert, dass die Kinder solche Wörter im Lexikon nachschlagen müssen, weil sie mit ihnen nichts mehr anfangen können. Gleich darauf fragte er sich, seit wann er sich anhörte wie sein Vater, der ständig mit der Gesellschaft haderte.
     
    Das Abendessen war fertig, der Tisch im Wintergarten gedeckt. Es war Tilo gewesen, der den Vorschlag gemacht hatte, Jette und Merle einzuladen. »Wir sollten die Bedingungen für ein Gespräch schaffen«, hatte er gesagt, »ohne die beiden unter Druck zu setzen. Was eignet sich besser dazu als ein Essen?«
    Imke misstraute Psychologen mit aller Inbrunst. Sie misstraute auch Tilo, wenn er solche Sätze von sich gab. Wie hatte sie sich in jemanden verlieben können, fragte sie sich noch heute manchmal, der den lieben langen Tag nichts anderes tat, als Menschen ihre geheimsten Gedanken und Gefühle zu entlocken?
    Sie hatten sich auf acht Uhr geeinigt. Eine gute Zeit. Da wären alle mit ihrem Tag fertig und bereit, sich zu entspannen. Selbst Tilo, in dessen Kalender keine freie Stelle mehr war, hatte versprochen, pünktlich zu sein. Es würde Tomatensuppe mit Krabben geben. Warmes Knoblauchbrot. Salat mit Lachs und frischen Früchten. Zum Dessert Erdbeeren mit Sahne. Und zum Abschluss einen Espresso.
    Es kam nur noch selten vor, dass Imke kochte. Vielleicht hatte sie es deshalb so genossen. Es war angenehm, sich für ein paar Stunden der Illusion hinzugeben, es sei wieder wie früher, Jette noch zu Hause und das Leben weniger kompliziert. Auߟerdem steckte sie mit ihrem Roman gerade an einer schwierigen Stelle fest und war für jede Ablenkung dankbar.
    Ich bin schon immer gern vor Problemen davongelaufen, dachte sie, während sie noch einmal den Tisch inspizierte, um nachzuschauen, ob sie etwas vergessen hatte. Sie rückte ein Glas zurecht, verschob ein Messer, zupfte an einer Serviette.
    Manchmal wünschte sie sich, im Leben würde es zugehen wie in ihren Büchern. Wünschte, sie könnte auch in der Wirklichkeit für alles die Verantwortung übernehmen. Figuren schaffen. Und sie auf ihrem Weg begleiten. Wenn sie diese Macht hätte, würde sie dafür sorgen, dass Jette niemals leiden müsste.
    Und Caro, dachte sie, wäre nicht gestorben.
    Sie hörte das Geräusch von Reifen auf dem Kies und ging zur Haustür, um zu öffnen. Liebevoll nahm sie ihre Tochter in die Arme, danach Merle. Es war ihr in letzter Zeit oft so vorgekommen, als hätte sie drei Töchter gehabt. Und deshalb war es jetzt auch ein bisschen so, als hätte sie mit Caro eine Tochter verloren.
    Werd bloߟ nicht pathetisch, dachte sie. Und hör endlich auf, jedes Unglück zu deinem eigenen zu machen.
    Die Mädchen sahen blass aus. Und viel zu dünn. Wahrscheinlich aߟen sie kaum etwas. Imke konnte es ihnen nicht verdenken. Sie stellte es sich entsetzlich vor, in der Wohnung zu leben, in der immer noch Caros Zimmer war. Als könne das Mädchen jeden Augenblick zurückkehren.
    Tilos Wagen fuhr vor, als sie es sich gerade im Wohnzimmer bequem gemacht hatten. Auch er umarmte die Mädchen herzlich.
    Sie gingen in den Wintergarten hinüber. Imke hatte beide Schiebetüren weit geöffnet, sodass ein kühler Lufthauch Frische brachte. Die Hitze des Tages zog sich nur langsam zurück. Bald würde man sie gar nicht mehr aus den Räumen vertreiben können.
    »Caro hat Gedichte geschrieben«, sagte Jette ohne Umschweife. Sie hatte sich den Teller randvoll mit Suppe gefüllt und rührte nun zaghaft darin herum, als habe sie sich zu viel zugetraut. »Wir haben sie in ihrem PC gefunden.«
    »Unglaubliche Gedichte«, sagte Merle. »So was Gutes hab ich noch nie zu Gesicht gekriegt.«
    »Habt ihr sie zufällig dabei?«, fragte Imke, deren Jagdtrieb sofort erwacht war.
    »Nicht zufällig«, sagte Jette. »Vorsätzlich. Wir möchten deine Meinung dazu hören.«
    »Meine Meinung?« Befriedigt beobachtete Imke, dass Merle mit groߟem Appetit zulangte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Gedichte beurteilen kann. Ich bin keine Lyrikerin.«
    »Es geht nicht um die Qualität«, sagte Merle. »Es geht nur um den Inhalt.«
    »Die Polizei hat den Computer nicht mitgenommen?«, fragte Tilo. »Das wundert mich aber. Ich dachte, die suchen überall nach Spuren.«
    »Dazu brauchen sie die Daten doch nur runterzukopieren«, sagte Jette und lächelte, als Tilo sich mit der flachen Hand an die Stirn schlug. Sie griff in ihren Rucksack, den sie neben ihrem Stuhl abgestellt hatte, zog eine blaue

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