Der Erdbeerpfluecker
Hoffnung.
Er merkte nicht, wie ihm das Kinn auf die Brust sank und er einschlief. Nahm halb im Schlaf wahr, dass Margot ihn weckte. Blind stolperte er ins Schlafzimmer, zog sich aus und ließ sich auf sein Bett fallen. Er spürte, wie Margot ihn zudeckte, atmete tief ein und aus und schlief durch bis zum Morgen.
Er fand keinen Schlaf. Es war drückend schwül im Zimmer. Die Luft stand still und war gewitterschwer.
Von dem Film hatte er so gut wie nichts mitbekommen. Zum einen war er kein Freund von Komödien, zum andern eignete er sich nicht zum Spionieren. Von den Fähigkeiten eines Detektivs war er weit entfernt.
Am liebsten hätte er sich den Mädchen zu erkennen gegeben. Ihnen gesagt, wie sehr Caro ihm fehlte. Dass sie ihn so maßlos enttäuscht hatte. Und dass ihre Liebe schließlich doch keine Liebe gewesen war.
Caro war ihm unter die Haut gegangen und er wurde sie nicht los. Als hätte sie sich in ihm festgesetzt. Wie die Stacheln des Seeigels, die er sich im Urlaub mal in den Fuß getreten hatte. Doch die hatte ein Arzt entfernen können.
Im dunklen Kino waren die Erinnerungen an die Zeit mit Caro über ihn hergefallen wie ein Mückenschwarm. Schweißgebadet hatten sie ihn zurückgelassen.
Vielleicht, er hatte sich an diese Hoffnung geklammert, vielleicht ist es mit dem Schmerz und der Trauer wie bei einem Fieberschub, vielleicht bin ich danach frei. Von Caro. Von der Liebe. Von Reue.
Frei von Gefühlen überhaupt.
Wenn ein Wunder Caro wieder lebendig machen könnte, würde er um das Wunder beten?
Ja. Ja. Ja! Fast hätte er es laut herausgeschrien. Er hielt sich die Hand vor den Mund. Er durfte nicht die Kontrolle verlieren.
Um sich abzulenken, hatte er sich auf die Mädchen vor ihm konzentriert. Hatte sich daran erinnert, warum er ihnen hierher gefolgt war. Und es hatte funktioniert. Die Traurigkeit hatte sich zurückgezogen und der Neugier Platz gemacht, der Neugier auf dieses Mädchen, das es gewagt hatte, ihn herauszufordern.
Möglicherweise war der Ansturm der Gefühle wirklich so etwas wie ein Feuerbad gewesen. Vielleicht war er jetzt wieder fähig, nach vorn zu sehen.
Er brauchte seine ganze Kraft, denn er musste vorsichtig sein. Es war unverzeihlich, die Polizei für eine Ansammlung von Trotteln zu halten. Indem man seine Gegner unterschätzte, stärkte man sie.
Das galt auch für Jette und ihre Freundin. Ihre Trauer und Wut machten sie unberechenbar.
Er setzte sich aufrecht und spannte sämtliche Muskeln an. Wie ein Panter, dachte er und lächelte in die Dunkelheit, ein Panter vor dem Sprung. Ein schwarzer Schatten, geschmeidig und lautlos. Gefährlich.
Ob diese Jette das wusste?
Kapitel 13
Als Imke den Computer ausschaltete, war es zwei Uhr nachts. Sie fühlte sich leer und erschöpft. Das Hochgefühl, das sie eigentlich erwartet hatte, blieb aus. Ihr war eher zum Heulen zumute.
Sie ging zur Toilette und dann die Treppe hinunter in die Küche. Am späten Nachmittag hatte sie zum letzten Mal etwas gegessen. Edgar und Molly standen maunzend vor der Terrassentür. Sie hatte sie völlig vergessen. Mit schlechtem Gewissen ließ Imke sie herein und stellte ihnen Futter hin. Wenn sie intensiv schrieb, war ihr alles andere egal.
Sie räumte das Geschirr, das sich angesammelt hatte, in die Spülmaschine, wischte die Arbeitsplatten mit einem feuchten Tuch ab und stellte den Wasserkocher an. Die Küche war ein Saustall. Der Boden musste dringend gewischt werden. Auf den schwarzweißen Fliesen sah man jeden Fleck.
Frau Bergerhausen fehlte ihr schon jetzt. Sogar ihr Gesang. In dieser Woche fingen die Ferien an und sie hatte sich volle sechs Wochen frei genommen. Um sich um ihre diversen Enkelkinder zu kümmern, die sie reihum in den Ferien zu sich einlud und verwöhnte.
Imke machte sich Käsebrote zurecht und brühte sich einen schwarzen Tee auf. Sie hätte gern im Wintergarten gegessen, doch da fühlte sie sich wie auf dem Präsentierteller. Seit den Morden, besonders seit dem Mord an Caro, empfand sie die Einsamkeit ihres Hauses als bedrohlich. Vor allem in der Nacht.
»Warum schreibe ich auch Psychokrimis«, sagte sie zu den Katzen, die nur kurz die Ohren nach ihr drehten und gierig weiterfraßen. »Da muss die Phantasie ja irgendwann mit einem durchgehen.«
Sie ließ den Tee ziehen, stellte Tasse und Teller auf ein Tablett und trug es ins Wohnzimmer hinüber. Vielleicht gab es noch einen schönen Spätfilm im Fernsehen. Die Szene, in die sie hineinschaltete,
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