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Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Mädchen, keinem Weib war je das Gerücht laut geworden, auch nur den Hauch einer Chance auf eine Ehe mit ihm zu haben. Und keine war je im Flusshaus untergebracht worden.
    Der König muss eine Königin haben, sagten ihm seine Ratgeber in regelmäßigen Abständen.
    Du musst wirklich heiraten, Arren, hatte seine Mutter ihm beim letzten Mal gesagt, da er sie lebend gesehen hatte.
    Der Erbe Morreds, wird er keinen Erben haben? Das fragten die gemeinen Leute.
    Ihnen allen hatte er, mit unterschiedlichen Worten und auf unterschiedliche Weise, geantwortet: Gebt mir Zeit. Ich habe die Ruinen eines Königreichs wiederaufzubauen. Lasst mich ein Haus bauen, das einer Königin würdig ist, ein Reich errichten, das mein Kind regieren kann. Und weil er wohl gelitten war, die Menschen ihm vertrauten und weil er immer noch ein junger Mann war - und trotz all seiner Ernsthaftigkeit eine gewinnende, überzeugende Art sein Eigen nannte -, hatte er all den hoffnungsfrohen jungen Damen entrinnen können. Bis jetzt.
    Was verbarg sich da unter den steifen roten Schleiern? Wer lebte im Innern jenes undurchschaubaren Zeltes? Die Damen, die zur Entourage der Prinzessin abgestellt worden waren, wurden mit Fragen bestürmt. War sie hübsch? War sie hässlich? Stimmte es, dass sie groß und dünn war, klein und muskulös, weiß wie Milch, pockennarbig, einäugig, gelbhaarig, schwarzhaarig, fünfundvierzigjährig, zehnjährig, eine sabbernde Missgeburt, eine strahlende Schönheit?
    Mit der Zeit bündelten sich die Gerüchte in eine Richtung: Sie war jung, wenn auch kein Kind mehr; ihr Haar war weder blond noch schwarz; sie sei recht hübsch, sagten einige der Damen; eher derb, meinten andere. Sie spreche nicht ein Wort Hardisch, sagten alle, und wolle es auch nicht lernen. Sie verstecke sich zwischen ihren Frauen, und wenn sie genötigt sei, ihr Gemach zu verlassen, hinter ihrem roten Zeltungetüm. Der König habe ihr einen Höflichkeitsbesuch abgestattet. Sie habe sich weder vor ihm verbeugt noch gesprochen, noch habe sie ihm irgendein Zeichen gegeben, sondern einfach bloß dagestanden, berichtete die alte Lady Iyesa entrüstet. »Wie ein Schornstein aus roten Ziegeln!«
    Er sprach mit ihr mittels der Männer, die im Kargadreich als seine Gesandten gedient hatten, und mittels des kargischen Botschafters, der recht gut Hardisch sprach. Umständlich übermittelte er seine Grüße und Erkundigungen bezüglich ihrer Wünsche und Begehre. Die Übersetzer sprachen mit ihren Frauen, deren Schleier kürzer und etwas weniger undurchdringlich waren. Diese scharten sich sodann um den regungslosen roten Pfeiler und kehrten nach viel Gemurmel, Getuschel und Geschnatter wieder zu den Übersetzern zurück, worauf diese den König informierten, dass die Prinzessin zufrieden sei und nichts erheische.
    Sie war einen halben Mond dort, als Tenar und Tehanu aus Gont eintrafen. Lebannen hatte - kurz bevor die kargische Flotte die Prinzessin brachte und aus Gründen, die nichts mit ihr oder König Thol zu tun hatten -ein Schiff mit einer Botschaft nach Gont gesandt, in der er sie um ihr Kommen gebeten hatte. Doch schon gleich bei der ersten Gelegenheit, als er mit Tenar allein war, sprudelte es aus ihm hervor: »Was soll ich mit ihr machen? Was kann ich tun?«
    »Erzähl mir davon«, sagte Tenar, die ein wenig verblüfft schien.
    Lebannen hatte nur eine kurze Zeit gemeinsam mit Tenar verbracht, wenngleich sie sich über die Jahre hinweg so manchen Brief geschrieben hatten; er war noch nicht daran gewöhnt, dass ihr Haar grau geworden war, und sie kam ihm kleiner vor, als er sie in Erinnerung hatte. Doch hatte er bei ihr sofort das Gefühl, wie schon fünfzehn Jahre zuvor, dass er ihr alles sagen konnte und dass sie es verstehen würde.
    »Fünf Jahre habe ich Handelsbeziehungen mit Thol aufgebaut und gepflegt und mich stets bemüht, auf gutem Fuß mit ihm zu stehen, weil er ein Kriegsherr ist und ich nicht will, dass mein Königreich wie zu Maharions Zeiten von Drachen im Westen und Kriegsherren im Osten in die Zange genommen wird. Und weil ich im Zeichen des Friedens regiere. Es ging auch alles ganz gut. Bis vor kurzem. Bis er aus heiterem Himmel dieses Mädchen hierher schickte und sagte: Wenn du Frieden willst, gib ihr Elfarrans Ring. Deinen Ring, Tenar! Deinen und Geds Ring!«
    Tenar zögerte kurz. »Sie ist immerhin seine Tochter.«
    »Was ist für einen Barbarenkönig schon eine Tochter. Eine Ware. Ein Handelsgut, mit dem er sich einen Vorteil erkaufen kann.

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