Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee
Hände gelegt, und selbst wenn sie sich ihm nicht zu Dank verpflichtet fühlten, respektierten sie doch sein Urteil.
Die ältliche Lady von Ebea kam mit Verspätung in den Saal gehastet, und Fürst Sege, der der Versammlung präsidierte, hieß den Rat Platz nehmen. Alle setzten sich. »Höret den König«, sprach Sege, und sie lauschten.
Er berichtete ihnen - und für viele war es die erste wirklich handfeste Nachricht in dieser Sache - von den Angriffen der Drachen auf West-Havnor und wie er sich mit Tehanu, der Frau von Gont, aufgemacht hatte, mit ihnen zu verhandeln.
Er hielt sie in Spannung, während er von den früheren Drachenattacken auf die Inseln des Westens sprach, und erzählte ihnen in Kürze Onyx' Geschichte von dem Mädchen, das sich auf dem Rokkogel in einen Drachen verwandelt hatte; ferner erinnerte er sie daran, dass Tehanu sowohl von Tenar vom Ring als auch von dem einstigen Erzmagier von Rok und von dem Drachen Kalessin, auf dessen Rücken der König selbst von Selidor hergetragen worden war, als Tochter reklamiert wurde.
Und schließlich erzählte er ihnen, was sich vor drei Tagen auf dem Pass in den Faliern-Bergen zugetragen hatte.
Er schloss mit den Worten: »Jener Drache trug Tehanus Botschaft zu Orm Irian in Paln, die dann den langen Flug hierher, über dreihundert oder mehr Meilen, bestreiten muss. Aber Drachen sind schneller als jedes Schiff, selbst wenn dieses unter Magierwind fährt. Wir können jederzeit mit Orm Irian rechnen.«
Fürst Sege stellte die Frage als Erster, weil er wusste, dass der König sie begrüßen würde: »Was erhofft Ihr Euch von Verhandlungen mit einem Drachen, Herr?«
Die Antwort kam postwendend: »Mehr, als wir jemals durch Kampf gewinnen könnten. Es fällt mir schwer, das zu sagen, aber es ist die Wahrheit: Gegen den Zorn dieser großen Kreaturen, sollten sie tatsächlich in beliebiger Zahl über uns herfallen, haben wir kein wirkliches Abwehrmittel. Unsere Weisen sagen, es gebe vielleicht einen Ort, der ihnen standhalten könnte, nämlich die Insel Rok. Und auf Rok gibt es vielleicht einen Mann, der sich einem einzelnen Drachen entgegenstellen könnte und nicht vernichtet werden würde. Deshalb müssen wir versuchen, den Grund ihres Zornes herauszufinden und, während wir ihn beseitigen, Frieden mit ihnen zu schließen.«
»Sie sind Tiere«, sagte der alte Lord von Felkweg. »Menschen können nicht mit Tieren argumentieren und Frieden mit ihnen schließen.«
»Haben wir nicht das Schwert Erreth-Akbes, der den Großen Drachen tötete?«, rief ein junger Ratsherr.
Die Antwort bekam er von einem anderen: »Und wer tötete Erreth-Akbe?«
Die Wogen in der Debatte schlugen hoch, aber Fürst Sege führte ein strenges Regiment. Er ließ nicht zu, dass irgendjemand einen anderen unterbrach oder länger sprach, als die Zweiminutenfrist währte, die ihm die Sanduhr zumaß. Zwischenrufer und Tuschler sahen sich von einem wuchtigen Aufstampfen des mit einer silbernen Spitze beschlagenen Stabes des Fürsten und seinem Aufrufen des nächsten Sprechers jäh zum Verstummen gebracht. Also redeten sie in rascher Folge, schrien hin und her, und all die Dinge, die gesagt werden mussten, und viele Dinge, die nicht gesagt werden mussten, wurden gesagt, widerlegt und erneut gesagt. Die meisten sprachen sich dafür aus, dass sie in den Krieg ziehen, die Drachen bekämpfen und sie besiegen sollten.
»Ein Trupp Bogenschützen und eines von den Kriegsschiffen des Königs könnten sie herunterholen wie die Enten!«, schrie ein hitzköpfiger Kaufmann aus Wathort.
»Sollen wir vielleicht vor geistlosen Tieren am Boden kriechen? Gibt es denn unter uns keine Helden mehr?«, fragte die herrische Lady von O-Tokne.
Hierauf gab Onyx eine scharfe Erwiderung: »Geistlos? Sie sprechen die Sprache des Erschaffens, in der Kenntnis welcher unsere Kunst und Macht liegen. Sie sind Tiere, so wie wir Tiere sind. Menschen sind Tiere, die sprechen.«
Ein Schiffskapitän, ein alter, weit gereister Mann, sagte: »Solltet dann nicht Ihr Zauberer mit ihnen reden? Da Ihr ihre Sprache könnt und vielleicht auch ihre Fähigkeiten teilt? Der König sprach von einem jungen, ungelehrten Mädchen, das sich in einen Drachen verwandelte. Aber Magier können diese Form nach Belieben annehmen. Könnten nicht die Meister von Rok mit den Drachen sprechen oder, wenn nötig, ebenbürtig mit ihnen kämpfen?«
Der Zauberer von Paln stand auf. Er war ein kleiner Mann mit einer leisen Stimme. »Die Gestalt anzunehmen
Weitere Kostenlose Bücher