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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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jedoch war einfach und nicht verziert, die Griffstange aus versilberter Bronze war abgewetzt. Dieses Schwert zog er geschwind heraus und bot den Griff dar, wie es der Gefolgsmann tut, der sich seinem Prinzen unterwirft.
    Der Erzmagier streckte seine Hand nicht aus, um den Schwertgriff zu erfassen. Er blickte ihn nur an und schaute dann auf Arren: »Das gehört dir, nicht mir«, sagte er, »und du bist keines Menschen Diener.«
    »Aber mein Vater hat gesagt, daß ich auf Rok bleiben soll, bis ich herausgefunden habe, welche Bewandtnis es mit dem Übel hat, und vielleicht könnte ich selbst einige Künste lernen – ich kenne keine, und ich glaube nicht, daß ich Macht besitze, doch unter meinen Vorfahren gab es Magier … Vielleicht kann ich auf irgendeine Weise nützlich sein …«
    »Deine Vorfahren waren Könige, bevor sie Magier wurden«, sagte der Erzmagier.
    Er stand auf und kam in einigen kraftvollen, lautlosen Schritten auf Arren zu. Er nahm den Jungen bei der Hand und zog ihn hoch. »Ich danke dir für dein Angebot, das ich jetzt nicht annehmen kann, doch ist es möglich, daß ich später, nachdem wir über diese Angelegenheit beraten haben, darauf zurückkomme. Das Angebot einer großmütigen Seele darf nicht leichtfertig abgelehnt werden. Und auch das Schwert von Morreds Sohn darf nicht leichthin zur Seite geschoben werden … Geh jetzt! Der Junge, der dich hierhergebracht hat, wird dafür sorgen, daß du Essen bekommst, baden und dich ausruhen kannst. Geh!« und er schubste Arren leicht an der Schulter, eine familiäre Geste, die sich noch niemand dem jungen Prinzen gegenüber erlaubt hatte und die er keinem gestattet hätte. Doch bei der Berührung des Erzmagiers erbebte er und war glücklich, denn eine tiefe Zuneigung hatte von ihm Besitz ergriffen.
    Er war kein Stubenhocker; er war gewandt in Spiel und Waffenübung, und mit Stolz und Vergnügen hatte er Körper und Geist gestählt; war gelehrig im Erlernen der Pflichten gewesen, die er als Sohn des Prinzen zu erfüllen hatte – sie waren keineswegs leicht zu üben –, jedoch er hatte sich noch nie für eine Sache voll eingesetzt. Alles war ihm leichtgefallen, und so hatte er alles mit Leichtigkeit erledigt. Spiel war ihm alles gewesen, selbst die Liebe. Doch jetzt war die in ihm schlummernde Tiefe erwacht, nicht durch das Spiel, nicht durch einen Traum, sondern durch die Gefahr, die Ehre, die Weisheit, durch ein vernarbtes Gesicht, eine ruhige Stimme, durch eine feste dunkle Hand, die, ihrer Macht nicht eingedenk, entspannt den Eibenstab hielt, in dessen Griff die Verlorene Rune der Könige, Silber auf schwarzem Holz, eingelassen war.
    Der erste Schritt aus der Kindheit heraus wird mit einem Mal getan, ohne vorheriges Rückwärts- oder Vorwärtsschauen, ohne Bedenken, rückhaltlos.
    Ohne an die höflichen Manieren des Verabschiedens auch nur einen Gedanken zu verschwenden, eilte Arren zur Tür, strahlend, gehorsam, ungestüm. Und Ged der Erzmagier blickte ihm nach.
    Ged blieb eine Weile beim Brunnen unter der Eberesche stehen. Dann hob er sein Gesicht zum sonnenklaren Himmel empor: »Ein lichter Bote mit unheilvoller Kunde«, sprach er halblaut, zum Brunnen gewandt. Der hörte nicht zu, sondern fuhr fort, in seiner eigenen Silberstimme zu reden, und Ged hörte ihm eine Weile zu. Dann ging er auf eine andere Tür zu, die Arren nicht gesehen hatte, die nur wenigen Augen sichtbar war, ganz gleich, wie nahe sie davorstanden, und rief verhalten: »Meister Pförtner!«
    Ein kleiner Mann unbestimmten Alters erschien. Jung war er nicht mehr, so daß man ihn eher als alt bezeichnen mußte, doch alt paßte auch nicht recht. Sein Gesicht war eingefallen und hatte die Farbe von Elfenbein angenommen. Er hatte ein anziehendes Lächeln, das lange Furchen in seine Wangen grub. »Was ist los, Ged?« fragte er.
    Denn sie waren allein, und er gehörte zu den sieben Menschen auf der Welt, die des Erzmagiers wahren Namen kannten. Die anderen waren der Meister Namengeber auf Rok; Ogion der Schweigsame, der Zauberer von Re Albi, der vor langer Zeit Ged diesen Namen auf dem Berg Gont gegeben hatte; die Weiße Dame von Gont, Tenar mit dem Ring; ein Dorfzauberer auf Iffisch, der Vetsch genannt wurde; und wieder auf Iffisch die Frau eines Zimmermanns, die Mutter von drei Mädchen, die der Zauberei unkundig, doch weise in anderen Dingen war und Jarro hieß; und schließlich, auf der anderen Seite der Erdsee, im äußersten Westen, zwei Drachen: Orm Embar und Kalessin.
    »Wir

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