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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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können. Erle sah, dass es ein Kind von vielleicht zwölf Jahren war; ob Mädchen oder Knabe, vermochte er nicht zu erkennen. Es schenkte weder ihm noch dem Gebieter Beachtung und blickte nicht mehr über die Mauer, sondern ließ sich gleich neben ihr nieder. Als Erle sich über die Mauer beugte und hinunterschaute, sah er, dass das Kind an den Steinen zerrte und ruckelte und versuchte, sie aus dem Mauerwerk zu lösen: erst einen, dann noch einen.
    Der Gebieter sprach leise zu dem Kind in der Alten Sprache. Das Kind schaute teilnahmslos auf und fuhr dann fort, mit seinen dünnen Fingern, die indes keine Kraft zu haben schienen, an den Steinen zu zerren.
    Das war so schrecklich für Erle anzuschauen, dass sich alles in seinem Kopf drehte. Er versuchte sich abzuwenden, und darüber hinaus konnte er sich an nichts erinnern, bis er in dem sonnendurchfluteten Raum erwachte, im Bett liegend, schwach und elend und vor Kälte fröstelnd.
    Man kümmerte sich um ihn: die reservierte, lächelnde Frau, die das Logierhaus führte, und ein braunhäutiger, stämmiger alter Mann, der zusammen mit dem Türwächter kam. Erle hielt ihn für einen Heil-Zauberer. Erst nachdem er ihn mit seinem Stab aus Ölbaumholz gesehen hatte, begriff er, dass er der Meister der Kräuterkunde der Schule von Rok war.
    Seine Gegenwart schenkte Trost und Erquickung, und er vermochte es, Erle Schlaf zu bringen. Er braute einen Tee und gab ihn Erle zu trinken, und er entzündete irgendein Kraut, das langsam brannte und dabei ein Aroma erzeugte, das roch wie dunkle Erde unter Fichten. Dann setzte er sich zu Erle und stimmte einen langen, leisen Singsang an. »Aber ich darf nicht einschlafen«, protestierte Erle, als er fühlte, wie der Schlaf über ihn kam wie eine große dunkle Gezeitenwelle. Der Heiler legte seine warme Hand auf Erles Hand. Da kam Friede über Erle, und er glitt in den Schlaf ohne Furcht. Solange die Hand des Heilers auf seiner lag oder auf seiner Schulter, hielt sie ihn fern von dem dunklen Hügel und der steinernen Mauer.
    Als er erwachte, aß er ein wenig, und bald darauf kam der Meister der Kräuterkunde wieder mit seinem lauwarmen, faden Tee, dem nach Erde riechenden Rauch, dem eintönigen, unmelodischen Gesang und der Berührung seiner Hand; und abermals konnte Erle Ruhe finden.
    Der Heiler hatte seinen Dienst in der Schule zu leisten und konnte daher nur einige Stunden während der Nacht zugegen sein. Erle aber fand genügend Ruhe in drei Nächten, dass er essen und bei Tage ein wenig in der Stadt umherspazieren und zusammenhängend denken und sprechen konnte. Am Morgen des vierten Tages traten die drei Meister, der Meister der Kräuterkunde, der Türwächter und der Meister des Gebietens, in sein Zimmer.
    Erle verbeugte sich mit Ehrfurcht, ja fast Misstrauen im Herzen, vor dem Gebieter. Der Meister der Kräuterkunde war auch ein großer Magier, doch war seine Kunst nicht gänzlich anders als Erles eigene, sodass zwischen ihnen eine Art Verstehen schwang - und überdies war da die große Güte und Wohltat seiner Hand. Der Gebieter indessen befasste sich nicht mit körperlichen Dingen, sondern mit dem Geist, mit dem Gemüt und dem Willen der Menschen, mit Gespenstern, mit Bedeutungen. Seine Kunst war arkan, gefährlich, voller Fährnis und Bedrohung. Und er hatte neben Erle dort gestanden, nicht körperlich, an der Grenze, an der Mauer. Mit ihm kehrten die Dunkelheit und die Angst zurück.
    Keiner der drei Magier sprach zunächst. Wenn sie etwas gemein hatten, dann war es eine große Fähigkeit zum Schweigen.
    Also sprach Erle: Er versuchte zu sagen, was er auf dem Herzen hatte, denn nichts weniger würde hinreichen.
    »Wenn ich etwas Falsches getan habe, das mich zu jenem Ort brachte oder mein Weib oder die anderen Seelen dort selbst zu mir, dann will ich, so ich es denn vermag, es wieder gut oder ungeschehen machen. Allein, ich weiß nicht, was es ist, das ich getan habe.«
    »Oder was du bist«, sagte der Gebieter.
    Erle war stumm.
    »Nicht viele von uns wissen, wer oder was sie sind«, meinte der Türwächter. »Ein kurzer, flüchtiger Einblick ist alles, was wir bekommen.«
    »Erzähl uns, wie du zum ersten Mal zu der Mauer aus Stein kamst«, sagte der Gebieter.
    Erle erzählte es ihnen.
    Die Magier lauschten schweigend und sagten auch, als er geendet hatte, eine ganze Weile nichts. Schließlich fragte der Gebieter: »Hast du bedacht, was es bedeutet, jene Mauer zu überqueren?«
    »Ich weiß, dass ich nicht

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