Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee
verbraucht und verschwendet habe. Ich kann sie der Welt zurückgeben. Ich kann sie den Leben zurückgeben, die noch nicht gelebt wurden. Das wird mein Geschenk an die Welt sein, die mir das Leben schenkte, das ich gelebt habe, die Liebe, die ich geliebt habe, der Atem, den ich geatmet habe.«
Sie blickte hinauf zu den Sternen und seufzte. »Noch nicht lange«, flüsterte sie. Dann wandte sie den Blick zu Tenar.
Seserakh strich Tenar zärtlich über das Haar, erhob sich und ging schweigend ins Haus zurück.
»Nicht mehr lange, glaube ich, Mutter ...« »Ich weiß.«
»Ich will dich nicht verlassen.«
»Du musst mich verlassen.«
»Ich weiß.«
Sie saßen eine Weile schweigend in der flimmernden Dunkelheit des Hains.
»Schau«, murmelte Tehanu. Eine Sternschnuppe flog über das Firmament, einen rasch verblassenden Lichtschweif hinter sich herziehend.
Fünf Zauberer saßen im Stemenschein beisammen. »Schaut«, sagte einer, und seine Hand folgte dem Schweif der Sternschnuppe.
»Die Seele eines sterbenden Drachen«, sagte Azver, der Formgeber. »So sagen die Leute auf Karego-At.«
»Sterben Drachen denn überhaupt?«, fragte Onyx nachdenklich. »Nicht so wie wir, denke ich.«
»Sie leben auch nicht so wie wir. Sie wandeln zwischen den Welten. So sagt Orm Irian. Vom Wind der Welt zum anderen Wind.«
»Wie wir es versuchten«, sagte Seppel. »Und scheiterten.«
Spiel sah ihn neugierig an. »Habt ihr auf Paln diese Mär schon immer gekannt, diese Überlieferung, die wir heute gelernt haben ... von der Trennung zwischen Drachen und Menschheit und der Entstehung des trockenen Landes?«
»Nicht so, wie wir sie heute gehört haben. Mir wurde beigebracht, dass der verw nadan der erste große Triumph der magischen Kunst gewesen sei. Und dass es Sinn und Zweck der Zauberkunst sei, für immer über die Zeit und das Leben zu triumphieren ... Daher das Unheil, das die Pelnische Lehre angerichtet hat.«
»Wenigstens habt ihr das Mutterwissen behalten, das wir verschmähten«, sagte Onyx. »Wie es auch dein Volk tat, Azver.« »Nun, ihr wart so vernünftig, euer Großhaus hier zu bauen«, sagte der Formgeber lächelnd.
»Aber wir bauten es falsch«, sagte Onyx. »Alles, was wir bauen, bauen wir falsch.«
»Dann müssen wir es niederreißen«, sagte Seppel.
»Nein«, entgegnete Spiel. »Wir sind keine Drachen. Wir leben doch in Häusern. Wir brauchen wenigstens ein paar Wände.«
»Solange der Wind durch die Fenster wehen kann«, sagte Azver.
»Und wer wird durch die Türen kommen?«, fragte der Türwächter mit seiner sanften Stimme.
Schweigen. Eine Grille zirpte emsig irgendwo auf der anderen Seite der Lichtung, verstummte, zirpte aufs Neue.
»Drachen?«, sagte Azver.
Der Türwächter schüttelte den Kopf. »Vielleicht wird die Trennung, die begonnen und dann verraten wurde, endlich vollendet«, sagte er. »Die Drachen werden frei werden und uns hier der Wahl überlassen, die wir getroffen haben.«
»Das Wissen, was gut ist und was schlecht«, sagte Onyx.
»Die Freude zu schöpfen, zu formen«, meinte Seppel. »Unsere Meisterschaft.«
»Und unsere Habgier, unsere Schwäche, unsere Furcht«, sagte Azver.
Eine zweite Grille, näher am Fluss, stimmte ein in das Gezirpe der ersten. Die beiden Triller pulsierten, kreuzten sich.
»Was ich befürchte«, sagte Spiel, »so sehr, dass ich mich fürchte, es zu sagen, ist Folgendes: dass, wenn die Drachen gehen, unsere Meisterschaft mit ihnen gehen wird. Unsere Kunst. Unsere Magie.«
Das Schweigen der anderen zeigte, dass sie das Gleiche befürchteten wie er. Schließlich ergriff der Tür- Wächter das Wort. Er sprach leise, aber mit tiefer Überzeugung. »Nein, das glaube ich nicht. Sie sind das Erschaffen, ja. Aber wir haben das Erschaffen gelernt. Wir haben es uns angeeignet. Es kann uns nicht weggenommen werden. Um es zu verlieren, müssten wir es vergessen, es wegwerfen.«
»Wie mein Volk es tat«, sagte Azver.
»Und dennoch erinnerte sich dein Volk daran, was die Erde ist, was das immerwährende Leben ist«, sagte Seppel. »Wohingegen wir es vergaßen.«
Wieder folgte langes Schweigen.
»Ich könnte die Hand nach der Mauer ausstrecken«, sagte Spiel ganz leise, und Seppel sagte: »Sie sind nahe, sie sind sehr nahe.«
»Wie sollen wir wissen, was wir tun sollen?«, fragte Onyx.
Azver sagte in die Stille hinein, die auf die Frage folgte: »Einst, als mein Herr, der Erzmagier, hier mit mir im Hain war, sagte er zu mir, er hätte sein Leben damit
Weitere Kostenlose Bücher