Der Eroberer
seinem zerfransten Strohhut. Im Moment lief nichts mehr. Vielleicht lag’s an ihm, daß Jimi so lange brauchte, um seine Sachen zu regeln.
Als Mo gegen Mittag aufwachte, fühlte er sich gleich viel besser. Die Sonne brannte auf der Haut. Er sog die würzige Luft ein und nahm vorsichtig den Hut vom Gesicht. Der schwarze Mercedesbus mit dem verchromten Schnickschnack stand immer noch im Gras neben der Straße. Mos Lippen waren trocken. Er nahm einen Schluck Wasser aus dem Fluß, stand auf und schüttelte die silbernen Tropfen von seinen braunen Fingern. Langsam trottete er zum Camper zurück, öffnete die Tür und blickte über den Rand des Fahrersitzes. Jimi war nicht da, aber von hinten drangen Geräusche durch die Trennwand. Mo kletterte durch die Kabine und schob die Verbindungstür auf. Jimi saß auf einer der Pritschen. Er hatte den
Tisch aufgeklappt und kritzelte in sein großes, rotes Notizbuch.
Sein Lächeln wirkte entrückt, als Mo eintrat.
»Gut geschlafen?« fragte er.
Mo nickte. »Das mußte mal sein.«
»Klar«, sagte Jimi. »Vielleicht sollte ich für ‘ne Weile fahren.«
»Nicht nötig. Es sei, du willst dir die Zeit vertreiben.« »Nein.«
»Ich mach uns ein Frühstück«, sagte Mo. »Hast du Hunger?« Jimi schüttelte den Kopf. Den ganzen Sommer über, seit er vom Flugboot zu Mo in den Bus gestiegen war, schien Jimi nichts gegessen zu haben. Mo briet für sich ein paar Würstchen und Bohnen auf dem Gaskocher und öffnete die Hecktür, damit der Geruch abziehen konnte. »Vielleicht geh ich gleich eine Runde schwimmen«, sagte er, als er mit seinem Teller an den Tisch kam und sich an eine Ecke setzte, um Jimi nicht zu stören. »Tu das«, sagte Jimi, vertieft in seine Malerei.
»Was machst du da? Sieht aus wie ein Comic strip. Darauf steh ich ja.«
Jimi zuckte mit den Schultern. »Nichts als Gekritzel, Mann. Ohne Bedeutung.«
Mo leerte den Teller. »Bei der nächsten Raststätte besorg ich
ein paar Comics … von den wahnsinnigen Dingern, die jetzt
neu rauskommen, eh.«
»Yeah?« Jimi grinste zynisch.
»Wahnsinnig, Mann. Kosmische Kriege, Zeitsprünge. So das Übliche, nur anders, verstehst du? Stärker. Peppiger. Irre, Mann. Die mußt du dir unbedingt reintun. Ich besorg uns ein paar.«
»Is nich’ möglich«, brummelte Jimi und gab deutlich zu verstehen, daß er nicht zugehört hatte. Er klappte das Notizbuch zu, lehnte sich zurück in die Vinylkissen und verschränkte die Arme vor dem weißen Seidenhemd. Als wäre ihm aufgegan gen, Mo womöglich vor den Kopf gestoßen zu haben, fügte er hinzu: »Ja, früher war ich echt scharf auf Comics. Kennst du die japanischen? Die dicken Dinger? Oh, Mann … die hauen dich um. Brennende Kerle. Vergewaltigung. Nur vom Feinsten.« Er schüttete sich aus vor Lachen. »Oh, Mann!« »Yeah?« Mo lächelte irritiert.
»Was ich sage.« Jimi ging an die Tür, stemmte die Hände in
den Rahmen und sah nach draußen. »Wo sind wir, Mo? Sieht
aus wie in Pennsylvania. Wie Delaware Valley. Schon mal
dagewesen?«
»Ich war noch nie in den Staaten.«
»Nich’ möglich.«
»Ich glaub, wir sind irgendwo in Yorkshire. Wahrscheinlich
nördlich von Leeds. Da drüben liegt wohl der Lake District.«
»Bin ich da durchgekommen?«
»Derwentwater.«
»Na schön.« Jimi kicherte.
Er war heute in besserer Stimmung. Vielleicht dauerte es, bis er genug Energie getankt hatte, um sich schließlich vor der Welt zeigen zu können. Die Reiseroute der beiden war völlig unbestimmt. Jimi hatte Mo entscheiden lassen, wo es langgehen sollte. Sie waren kreuz und quer durch Wales, über die Peaks, durch den gesamten Westen und die Provinz gefahren; nur um London hatten sie einen Bogen gemacht. Jimi wollte da nicht hin. Der Grund lag auf der Hand. Schlechte Erinnerungen. Während Jimi mit dem Mercedes in einem Vorort auf ihn wartete, war Mo ein paar Mal in die Stadt getrampt, um sich mit Mandies und Speed einzudecken. Wenn er Glück gehabt hatte, war er auch an Kokain gekommen. Ab und zu brauchte er eine Prise. In Finchs Kneipe an der Ecke der Portobello Road hätte er zu gern seinen alten Freunden von Jimi erzählt, aber das wäre gegen die Abmachung gewesen. Wenn Mo gefragt wurde, was er so trieb und wo er jetzt wohnte, gab er nur ausweichende Antworten. Über Geld brauchte er sich keine
Sorgen zu machen. Jimi konnte ihm zwar nichts zustecken, aber vom Verkauf des weißen Dodgekabrioletts war noch genug übriggeblieben. Den Wagen hatte er von The Deep Fix am Ende ihrer Tournee
Weitere Kostenlose Bücher