Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
einem FC-Aberdeen-Trainingsanzug mit Kapuze und schwarzen Nike-Turnschuhen?
An diesem späten Februarabend bietet Torry einen trostlosen Anblick – die Granitfassaden fast ganz schwarz vor Dreck, in den uringelben Schein der Straßenlaternen getaucht. Die Frau passt genau hierher: billige Klamotten, billige schwarze Lederjacke, billige Schuhe, billiges Parfum. Eine richtige Schnalle. Er lächelt und betastet das Messer in seiner Tasche. Es wird Zeit, der Schnalle seine »Spezialbehandlung« zu verpassen.
Sie wendet sich nach links, biegt von der langgezogenen Kurve der Victoria Street in eine der Seitenstraßen ein, dort, wo die ganzen Fischfabriken sind. Wahrscheinlich eine Abkürzung zu ihrem scheußlichen kleinen Einzimmerapartment, oder zu dem Haus, wo sie mit Mama und Papa wohnt. Er grinst – hoffentlich Letzteres, denkt er; sie kann froh sein, wenn sie jemanden hat, mit dem sie nachher ihren Schmerz teilen kann. Denn es wird immer noch reichlich für sie allein übrig bleiben.
Die Straße liegt verlassen; nur der hintere Teil eines leeren Sattelschleppers parkt gegenüber dem orientalischen Discounter. Ringsum nur Gewerbegebäude, alles still und dunkel, verriegelt und verrammelt. Niemand, der sie sehen und Hilfe holen könnte.
Die Frau – Nummer sieben – kommt an einem Container voll verbogenem Altmetall vorbei, und er beschleunigt seinen Schritt, schließt zu ihr auf. Ihre Absätze klackern auf dem kalten Beton des Gehsteigs, aber seine Nikes machen kein Geräusch. Vorbei an ein paar von diesen großen Plastikkübeln, die von weggeworfenen Fischköpfen und -gräten überquellen, mit verdreckten Holzpaletten obendrauf, um die Möwen abzuhalten. Noch ein bisschen näher.
Dann ist das Messer draußen; die andere Hand geht zum Schritt seiner Trainingshose, streichelt seine Erektion wie einen Glücksbringer, und er sieht alles klar und deutlich vor sich, wie Blutspritzer auf bleicher, weißer Haut.
Im letzten Moment dreht sie sich um, ihre Augen weiten sich, als sie zuerst ihn erblickt, dann das Messer – zu entsetzt, um zu schreien. Das wird ein Fest werden. Nummer sieben wird Dinge tun, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Nicht in ihren finstersten Albträumen. Sie –
Ihr Arm schnellt vor und schlägt das Messer weg, während sie mit der anderen Hand seinen Jogginganzug packt und ihm das Knie mit solcher Wucht in den Unterleib rammt, dass er vom Boden abhebt.
Er stößt einen kleinen Quiekser aus, und sie verschließt ihm den Mund mit der Faust. Schwarze konzentrische Kreise wirbeln um einen glühenden gelben Strudel herum, und seine Knie knicken ein. Der Gehsteig, auf dem er landet, ist hart und kalt; er krümmt sich, hält sich die lädierten Hoden und heult wie ein kleines Kind.
»Ach du Scheiße …« DC Rennie beäugte den Mann, der da schluchzend auf dem mit fischigen Flecken übersäten Gehsteig lag. »Ich glaube, du hast ihm die Eier zerquetscht. Ich hab’s richtig knallen gehört.«
»Er wird’s überleben.« PC Jackie Watson zuckte mit den Achseln, während sie den Mann auf den Bauch drehte und ihm hinter dem Rücken Handschellen anlegte. Er stöhnte und wimmerte, und sie feixte. »Geschieht dir recht, du mieses Stück …« Sie blickte zu Rennie auf. »Guckt irgendjemand?« Er verneinte, worauf sie den Kerl in die Rippen trat. »Das ist für Christine, Laura, Gail, Sarah, Jennifer und Joanne.«
»Mein Gott, Jackie!« Rennie packte sie an der Schulter, ehe sie noch einmal zutreten konnte. »Was ist, wenn dich jemand sieht?«
»Du hast doch gesagt, es ist niemand da.«
»Schon, aber …«
»Also, wo ist das Problem?« Sie stand auf und starrte finster auf den schluchzenden Mann im FC-Aberdeen-Trainingsanzug hinunter. »Okay, Freundchen, hoch mit dir.«
Er rührte sich nicht. »Herrgott noch mal …« Sie packte ihn am Ohr und zerrte ihn hoch. »Rennie, kannst du schon mal …« Aber Rennie hing schon am Funkgerät und meldete der Leitstelle den erfolgreichen Abschluss der Operation Zuckerbrot: Sie hatten das Schwein geschnappt.
2
Das Aberdeen Royal Infirmary wucherte wie ein steinerner Tumor. Nach jahrelanger Remission hatte er wieder zu wachsen begonnen und infizierte die Umgebung mit neuen Flügeln aus Beton und Glas. Und jedes Mal, wenn Detective Sergeant Logan McRae das Krankenhaus sah, wurde ihm ganz flau im Magen.
Mit einem unterdrückten Gähnen zerdrückte er den dünnen Plastikbecher, aus dem er seinen Automatenkaffee getrunken
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