Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Rampenlicht, um seinen Aberdeener Akzent abgelegt zu haben – alle Vokale dunkel und gedehnt. » Ich war bloß ’ne Runde joggen. Um mich für das Spiel am Samstag fit zu halten. Ich hab niemand vergewaltigt. «
»Sie hatten ein Messer …« , setzte Jackie an, doch Insch fuhr ihr über den Mund. Seine hünenhafte Gestalt verdunkelte den Bildschirm und schob sich vor Macintyre, beide Fäuste auf die Tischplatte gestützt. Das Deckenlicht spiegelte sich in seiner Glatze.
»Doch, das haben Sie, Rob … Sie sind den Frauen gefolgt, Sie haben sich auf sie gestürzt, haben sie verprügelt und vergewaltigt, ihnen das Gesicht zerschnitten … «
» Das war ich nicht! «
» Sie haben sich Trophäen mitgenommen, Sie Trottel. Halsketten, Ohrringe, sogar einen Slip! Wir werden die Sachen finden, wenn wir Ihr Haus durchsuchen. «
»Ich hab nichts gemacht, okay? Wann kriegen Sie das endlich in Ihren dicken Quadratschädel? ICH HAB NIEMAND VERGEWALTIGT !«
»Glauben Sie im Ernst, dass Sie damit durchkommen? Wir brauchen Ihr Geständnis nicht, wir haben genug Beweise … «
»Wissen Sie was? Mir reicht’s jetzt, ich hab kein’ Bock mehr, der Polizei zu helfen. Ich will meinen Anwalt sprechen.«
»Das haben wir doch alles schon durchgekaut: Sie kriegen Ihren Anwalt, wenn ich es sage, nicht eher.«
»Ach ja? Na, dann können Sie gleich noch mehr Kaffee bringen lassen – dürfte nämlich ’ne lange Nacht werden. Ich sag jedenfalls kein Wort mehr.«
Und daran hielt er sich auch.
3
Für die erste Ausgabe des Aberdeener Lokalblatts Press and Journal war Rob Macintyres Verhaftung zu spät gekommen, aber im Schottlandteil der Morgennachrichten des Fernsehens wurde darüber berichtet. Eine mürrisch dreinschauende Reporterin stand im Dunkeln vor dem Pittodrie-Stadion und sprach mit einem kleinen Häuflein fröstelnder Fans, befragte sie nach ihrer Meinung zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihren Stürmerstar. Wie die BBC so schnell von der Sache Wind bekommen hatte, war Logan ein Rätsel.
Die Anhänger des AFC, die allesamt das knallrote Trikot ihres Vereins trugen, hielten felsenfest zu ihrem Helden: Macintyre war ein guter Junge, würde so etwas niemals tun; da versuchte jemand, ihm was anzuhängen; der Verein brauchte ihn … Und dann ging es weiter mit einem Hausbrand in Dundee. Logan saß gähnend im Wohnzimmer, trank Tee und hörte einem verwachsenen Männlein von der Tayside Police zu, das dem Reporter erklärte, wie wichtig es sei, die Batterien der Rauchmelder regelmäßig zu überprüfen. Dann der Verkehrslagebericht, das Wetter – und zurück ins Londoner Studio. Die Nachrichten eines ganzen Landes, abgehandelt in acht Minuten.
Die Obduktion seines unidentifizierten Freundes von gestern Abend war erst für zehn Uhr angesetzt – also in fast drei Stunden –, aber Logan hatte noch eine ganze Wagenladung Papierkram abzuarbeiten.
Er trank seinen Tee aus und ging sich anziehen.
Das Leichenschauhaus des Präsidiums strahlte in antiseptischem Glanz. Die weißen Wand- und Bodenfliesen funkelten, die Seziertische aus blitzendem Edelstahl standen unter polierten Abzugshauben, makellos saubere Arbeitsflächen säumten die Wände. Logan schlüpfte in den vorgeschriebenen weißen Schutzanzug mit Haube und blauen Plastiküberschuhen, bevor er die Tür zum sterilen Bereich aufstieß. Der Ehrengast lag schon parat, flach auf dem Rücken in seiner ganzen käsigen, blutbefleckten Herrlichkeit, während ein Fotograf vom Erkennungsdienst klickend und blitzend um ihn herumwuselte und alles für die Nachwelt festhielt. Ein Spurensicherungsbeamter war unterdessen damit beschäftigt, mithilfe von Klebeband möglichst viele Faserspuren sicherzustellen. Ein grotesker Zeitlupentanz, zu dem der Blitz die Discolightshow lieferte.
Doc Fraser stand über einen der anderen Seziertische gebeugt und las die P&J , die er auf der Edelstahlfläche ausgebreitet hatte. Er blickte auf, sah Logan hereinkommen und fragte ihn nach einem Wort mit sieben Buchstaben und einem S am Anfang.
»Keine Ahnung. Wer hat die Leitung?«
Der Rechtsmediziner seufzte und kaute auf seinem Stift herum. »Keine Ahnung; ich mache heute nur den Stellvertreter. Die Staatsanwältin ist hier irgendwo in der Nähe, fragen Sie die doch. Mir erzählt ja keiner was.«
Logan kannte das Gefühl nur zu gut.
Er fand die Staatsanwältin im Abschiedsraum, wo sie auf und ab ging und Selbstgespräche zu führen schien; doch dann entdeckte Logan das kleine Bluetooth-Headset
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