Der erste Versuch
Hintergrundinformation
herauszufinden. „Nützen“, so dachte er, „wird es aber kaum.“
Widerstand hielt er für selbstmörderisch und illegal
weiterzuwirken für den Einzelnen für viel zu gefährlich. „Die
etwas über dreihundert Schläfer im Sektor zu wecken, ist kein
Problem. Aber etliche werden Regress anmelden, schließlich
sind wir vertragsbrüchig. Vielleicht jedoch lassen sich die
Ansprüche gegen die Gefahr eines Endlosschlafes
aufrechnen… Spekulation!“
Die Rolltreppe war zu dieser Spätnachmittagszeit wie immer
beträchtlich beansprucht. Die Eiligen, denen die Beförderung
durch die Maschine nicht schnell genug ging, stiegen rechts in
langer Reihe an den anderen vorbei.
Milan, nicht in Eile, hatte es sich im Sesselteil bequem
gemacht und blickte hinunter in die Stadt, deren
überschaubarer Ausschnitt sich kontinuierlich vergrößerte.
Schon waren in den Straßen die Fahrkabinen der Sitzzüge
nicht mehr einzeln auszumachen, einige Freifahrzeuge hatten
bereits die Scheinwerfer eingeschaltet.
Milan genoss den lauen Abend, es wehte kaum ein Lüftchen,
und das Gemurmel der sich auf der Treppe unterhaltenden
Leute unterstrich die Ruhe eher, als dass es sie störte.
Milan erreichte die 37. seine Etage. Er stieg ab und
schlenderte an der Buchsbaumhecke entlang, die bis zum
nächsten Stock emporwucherte. Vom Weg zweigten die
Zugänge zu den einzelnen Wohnungen ab.
Schon als er zu der seinen abbog, spürte er es, ohne dass er
zunächst zu sagen vermocht hätte, was es war. Durch den Duft
des Jasmins und den frisch geschnittener Zweige zog plötzlich
ein Hauch, ein äußerst übel riechender. Und er erinnerte sich:
Damals mit Alina auf der Karpatenwanderung – abseits von
jedem Touristenbegängnis hatten sie mühsam bei
einbrechender Dunkelheit das neue Zelt aufgeschlagen und es
sich gerade davor gemütlich gemacht, als der leichte Wind
umschlug und sie plötzlich mit einem bestialischen Gestank
überfiel, der sie bestimmt bewogen hätte, den Stellplatz zu
wechseln, wäre es nicht mittlerweile völlig dunkel gewesen.
Am Morgen sahen sie es: Wenige Meter entfernt stand ein
Hexenring verwesender Stinkmorcheln.
Der Gestank nahm zu, je näher Milan seiner Haustür kam.
Als er sie aufgeschlossen und geöffnet hatte, verschlug es ihm
fast den Atem. Und das Üble drang aus seiner Wohnung!
Im ersten Schreck schlug er die Tür wieder zu, trat etliche
Schritte zurück, überrascht und fassungslos. Was, zum Teufel,
war das! Er überlegte fieberhaft, welches Ereignis der Auslöser
sein, welche Verrichtungen er am Morgen wohl ausgeführt
haben mochte, die das Infernalische erzeugt haben konnten.
Milan überlegte einen Augenblick, stieg dann die wenigen
Stufen zu seiner Terrasse empor, befeuchtete am Wasserhahn
sein Taschentuch, hielt es sich vor Mund und Nase und drang
rasch in seine Wohnung ein. Er rannte in die Zimmer, riss
Fenster und Terrassentür sperrangelweit auf und schaltete die
Klimaanlage auf die höchste Stufe.
Der Gestank milderte sich, blieb aber hartnäckig in den
Räumen haften.
Milan unterzog die Wohnung einer gründlichen Inspektion –
noch befangen in der Meinung, er habe selbst die Ursache für
das Missliche gesetzt. Er stellte zunächst fest, alle Textilien
hatten derartig das Üble angezogen, dass die Luft davon stetig
neu angereichert wurde, sodass das Lüften nur bedingt Abhilfe
schuf. Aber was, zum Teufel…?
Auf seinem altertümlichen Schreibtisch dann – einen der
modernen Kommunater wollte er sich noch nicht leisten – fand
sich des Rätsels Lösung, die Milan ebenso überraschte wie
wütend machte: Ein gewöhnlicher Ausdruck in großen
Buchstaben lag da
– vermutlich auf dem eigenen Texter
geschrieben – mit den Zeilen:
„Es könnte sein, dass du, Milan Nowatschek, deinesgleichen
und eure Schläfer bald ebenso – duften wie gegenwärtig deine
Wohnung.“ Unterschrieben war der Wisch mit „Die
Gutmeinenden“.
Eine Weile saß Milan unfähig, einen klaren Gedanken zu
fassen. Ekel hatte ihn ergriffen und eine ohnmächtige Wut,
dazu gesellte sich ein zunehmender klopfender Kopfschmerz,
wohl eine Nebenwirkung der stinkenden Substanz. Dann sagte
er laut: „Sie machen Ernst, die Schweine.“
Wenig später stellte sich zum Kopfschmerz Benommenheit
ein, außerdem nahm der üble Geruch nicht ab, sodass Milan
einige persönliche Dinge zusammenpackte und die Wohnung
verließ.
Als Echo auf die Einladung zur Vertreterversammlung kam
von mehreren der Teilnehmer die Bitte,
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