Der erste Versuch
wollte dich nicht…“ Er unterbrach sich.
Alina lachte auf. „Ich bin längst drüber weg. Es war schon
vorbei, als er schlafen ging – und der andere… Ich hab keine
schlechte Erinnerung. Gegen mich war die kriminelle Aktivität
a priori nicht gerichtet. Berichte schon weiter!“
„Übrigens, dass sie nachher ausgestiegen sind, bestätigt sich:
Unten am Schacht neben dem Teil, in dem die Förderkörbe
fahren, sind Lei…. Fahrten von einer Bühne zur anderen. Die
Luken dazwischen sind in jüngerer Zeit gewaltsam geöffnet
worden.“
Connan ergänzte: „Ein riesiges Depot ist da unten
–
wahrscheinlich Tausende
– Embryonen im Frühstadium
–
eingefroren. Und Tonnen von Lebensmitteln. Die sechs hätten
es noch eine ganze Weile ausgehalten.“
„Die Eingefrorenen kommen uns möglicherweise wie
gerufen…“ Es war, als denke Alina laut.
Verhältnismäßig früh am nächsten Morgen befanden sich die
zwei Fahrzeuge auf der Fahrt zur nächsten größeren Stadt,
nach Nordenheim. Dort wollten die Reisenden die Autobahn
zur Nordsee erreichen. Alina hatte die Idee, dass Menschen die
Katastrophe überlebt haben könnten, die sich zum Zeitpunkt
gerade in einem Zug befunden hatten, der den Ärmelkanal
unterquerte, und nunmehr in der Gegend siedelten, in
Frankreich oder England.
Zunächst aber galt es, in Nordenheim Wasserstoff für die
Mobile zu finden und einzuspeichern.
Unterwegs die üblichen Bilder, eine intakte Natur, die im
Begriff war, all das, was ihr die Menschen genommen hatten,
sich sukzessive wieder einzuverleiben. Selbst die
Asphaltstraßen wurden von den Rändern her von scheinbar
schwachen Grasbüscheln zerbröselt. „So ähnlich“, dachte
Alina sarkastisch, „muss das Paradies ausgeschaut haben, als
Adam und Eva vertrieben wurden. Und…“, sie lächelte, „so
schaut die Welt wieder aus, nachdem alle…“ – „Connan – wie
ist der Plural von Adam?“, rief sie über das Fahrgeräusch
hinweg.
Sie hielten an der ersten Tankstelle und kontrollierten die
Tanks; sie waren genauso leer wie die der herumstehenden
Fahrzeuge.
„Merkwürdig“, stellte Connan fest. „Schauen wir noch bei
den Lastern da hinten nach.“ Er wandte sich gemeinsam mit
Alina diesen zu.
Alina stand abwartend, während er am Ventil schraubte.
„Sucht ihr etwas Bestimmtes?“, fragte plötzlich eine Stimme,
der man anhörte, dass sich die Sprecherin in einem Zustand
höchster Erregung befand, wie eine, die vor Freude schier
zerspringen will, aber diesen Augenblick mit größter
Beherrschung hinauszögert.
Alina und Connan fuhren empor, als sei ein Blitz in sie
gefahren.
Vor ihnen stand eine junge Frau – nein, hatte gestanden; denn
sie war schon auf Alina zugeflogen, hatte sie gepackt, drückte
sie an sich, dass Connan, der nicht wusste, was geschah, schon
eingreifen und die Stürmische zurückreißen wollte. Da sah er
die Tränen, die jener über die Wangen liefen, und war im
nächsten Augenblick selber Objekt ihres Gefühlsausbruchs.
Sie hielten sich zu dritt umschlungen, und auch Alina konnte
die Tränen nicht zurückhalten.
Dann rief Connan nach Kelvin, Sophie und Emily, die
zunächst stutzten, als sie von weitem die Fremde erblickten,
dann jedoch angerannt kamen, und die Szene wiederholte sich.
„Ich bin Constanze“, machte sich die junge Frau bekannt, als
sie sich einigermaßen beruhigt hatte, „und komme
ursprünglich aus der Unterseestation Phillipp drei, über
zweihundertfünfzig warten auf einer Insel, dass wir sie holen –
ich kann es nicht fassen…“, unterbrach sie sich, „ihr seid
wirklich da!“, und sie griff nach Emilys Hand. „Wir sind,
waren zu dritt, dann kamen fünf aus dem Schacht dazu. Wir
siedeln gleich hier in der Nähe… Ihr müsst mitkommen,
gleich. Eine Freude!“
„Fünf aus dem Schacht…“, wiederholte Alina leise, dann
noch einmal laut: „Fünf aus dem Schacht. Connan, sie sind es!
Und noch zweihundertfünfzig!“
Und sie wusste in diesem Augenblick, dass ein zweiter
Versuch der Menschwerdung sich lohnen würde.
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