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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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wirst erwartet. Zimmer
dreihundertvierundvierzig. In zehn Minuten“, setzte sie spitz
mahnend hinzu.
    „Aufgeblasene Gans“, dachte Milan, suchte jedoch den
Eingang zum Treppenhaus und stieg langsam in die dritte
Etage empor. In jedem Stockwerk verharrte er und sah
hinunter auf die Stadt, die sie aufsteigende Sonne mehr und
mehr in Licht tauchte. Doch in seinem Kopf drehte sich erneut
heftig der Kreisel.
    Zimmer 344 befand sich am Ende des Korridors. Milan
vergewisserte sich: „Generalanwalt Sektor 4, Magister Jens
Kuler“.
    Milan sog Luft tief ein, betätigte den Signalgeber und trat,
ohne eine Aufforderung abgewartet zu haben, forsch ein.
Der stationäre Servomat im kleinen kahlen Vorraum, in dem
sich außer einer überdimensionalen Zimmerpalme und dem
modernen Gerät selber kein einziges Möbelstück befand, sagte
hohl: „Tritt ein“, und richtete den Punkter auf die linke der
beiden Verbindungstüren.
Schon auf den ersten Blick wusste Milan, dass er einen Mann
vor sich hatte, mit dem zu handeln aussichtslos war.
Kuler hatte sich erhoben, war hinter dem Kommunater
hervorgetreten, einige Schritte auf den Besucher zugegangen,
hatte ihn leicht am Arm berührt und zwingend „Setz dich!“
gesagt. Dabei hatte er Milan nicht angesehen und, außer für die
zwei Worte den Mund ein wenig zu öffnen, keinen Muskel im
Gesicht verzogen.
Kuler war ein großer Mann, eine Respekt einflößende Person.
Dieses Eindrucks konnte sich Milan nicht erwehren. Die graue
Stoppelfrisur ließ das Gesicht noch länger erscheinen, buschige
Augenbrauen gaben Kuler etwas Finsteres. Das Unangenehme
allerdings, das Milans ersten Eindruck bewirkte, waren die
äußerst eng stehenden grauen Augen, die den Blick scheinbar
stechend machten. Kuler war dürr. Sein bräunliches Kleid
schlackerte an ihm, und die Unterarme mit den knochigen
Händen ragten aus den weiten Ärmeln mumienhaft hervor.
Mit Milans Forsche war es vorbei. Er blickte sich
verunsichert um; auch dieser Raum war außer mit dem
Kommunater nur mit einem großblättrigen Baum ausgestattet.
Ein zusätzlicher Stuhl, der gleichsam mitten im Raum stand
und so einen gehörigen Abstand zum Sitzmöbel des
Generalanwalts schuf, unterstrich die Leere.
Milan setzte sich.
„Kommen wir zur Sache“, sagte Kuler geschäftsmäßig. Er
trat hinter den Kommunater, glitt schlaksig in den Sessel und
sah zum ersten Mal Milan voll an, sodass dieser die Augen
senkte, weil er meinte, den Blick des anderen nicht ertragen zu
können. „Du bist hier der Guru…“, bei dieser Bezeichnung
lächelte Kuler ironisch, sein Adamsapfel glitt auf und nieder,
„der regionalen so genannten Vereinigung für das zweite
Leben, und der Grund meiner…“, er zögerte, lächelte
abermals, „na, sagen wir, Bitte ist, dass du dafür sorgst, dass
euer Verein endlich aufhört zu existieren. Mit meinen
Kollegen der Anwaltschaften der anderen Sektoren gehe ich
konform.“
Da war es heraus! Obwohl Milan sich im Klaren war, dass
das, was Kuler gerade mehr beiläufig geäußert hatte,
Endgültiges bedeutete
– allzu lange wurde intrigiert,
angefeindet, ja terrorisiert
–, fühlte er sich irgendwie
erleichtert. Es war heraus, eine äußerst unangenehme
Angelegenheit, aber es war nun offiziell, und man wusste,
woran man war. Offiziell?
Milan fasste sich. „Entschuldige“, sagte er, „ich bin nicht
ganz auf dem Laufenden, wann wurde der Beschluss…“
Eine unwillige Geste seines Gegenübers ließ Milan den Satz
abbrechen. Kuler hatte seine Ellbogen auf den Kommunater
gestützt, sich vorgebeugt, sah Milan voll an und sagte schroff:
„Es gibt keinen – schriftlichen Beschluss, wenn du das meinst.
Wir wählen – zu eurem Besten – diese Form der Information.
Es wird jedes öffentliche Aufsehen vermieden, und ihr seid gut
beraten, diese Art der Lösung des Problems zu akzeptieren. Du
weißt, es gibt einflussreiche Leute, denen an einem
Medienrummel nicht gelegen ist.“
„Und ob ich das weiß“, dachte Milan. „Also daher weht der
Wind, und das ist der Grund dieser merkwürdigen Vorladung!
Wir verschwinden sang- und klanglos, Interessenten finden
keinen Anlaufpunkt mehr, Adressat unbekannt – fertig.“
„Und ob ich das weiß“, antwortete Milan. Er lehnte sich
zurück, Druck war von ihm genommen, nun wusste man, mit
wem man es zu tun hatte und was diese wollten. Denn welchen
Kreisen diese Einflussreichen entstammten, lag auf der Hand.
„Und – gesetzt den Fall, wir gingen auf deinen…“,

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