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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Zusammenarbeit mit Larry erzählt habe, widerrufen will?“
    „Ja, so ungefähr.“ Er gab seine betende Haltung auf, faltete die Hände richtig und legte sie auf die Tischplatte.
    „Nein. Ich glaube nicht, daß ich etwas anderes sagen will. Kann ich noch mal hören, was ich gesagt habe?“
    Er spielte das Band noch mal ab. Es waren nur die Fragen, die die Einbrüche betrafen, bei denen ich geholfen hatte.
    „Okay“, sagte ich. „Das habe ich getan. Ich versuchte Larry klarzumachen, daß es falsch war, aber er hatte immer gute Gegenargumente auf Lager. Das Band ist in Ordnung.“
    „Wollen Sie dann bitte diese Bandabschrift unterschreiben?“
    „Was steht denn drin?“
    „Es gibt nichts anderes wieder als das, was Sie auf Band gesprochen haben. Würden Sie bitte hier unterschreiben?“
    „Okay.“ Ich unterschrieb.
    Er ließ eine Glocke läuten. Weißgekleidete Männer kamen herein, steckten mich in eine weiße Jacke mit unheimlich langen Ärmeln, wickelten sie mir zweimal um den Bauch, so daß meine Arme eng an meinem Körper lagen, und schnürten sie mir hinter dem Rücken zu.
    „Was ist das?“
    „Eine Zwangsjacke.“
    Sechs Männer eskortierten mich in einen kleinen, weißen, mit gepolsterten Wänden ausgestatteten Raum und setzten mich auf ein Ding, das wie ein elektrischer Stuhl aussah. Zwecklos, gegen sechs Mann kann man nichts machen.
    Ich bin im allgemeinen ein glücklicher Mensch, weil ich meine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecke und nicht gegen das System kämpfe. Aber jetzt suchte ich nach einem Ausweg. Ich stimmte mich auf die Männer ein und suchte in ihrem Gedächtnis nach Fällen, in denen Gefangene entkommen oder Behandlungen abgesagt worden waren. Wie?
    Sie hatten keine Antworten. Sie konnten sich nicht daran erinnern, daß je ein Gefangener ausgebrochen oder eine Behandlung abgesagt worden war. Sie waren davon überzeugt, daß das, was sie taten, in Ordnung war. Sie glaubten, daß ein Gefangener, nachdem man ihm eine Gehirnwäsche verpaßt und rehabilitiert hatte, in der Freiheit ein besseres und glücklicheres Leben fuhren würde.
    Sie befestigten ein paar Kabel an meinem Halsrücken. Ich fing an wütend zu werden, da sie mich wie einen Gegenstand behandelten. Aber dann fiel mir ein, daß der Grund für diese rauhe Behandlung darin lag, daß man die Autorität haßte. Auf was man auch immer stinksauer war, auf was man sich auch immer mit all seinen Gefühlen konzentrierte – die Kabel würden es mit einem riesigen, weißen Blitz, der einem Orgasmus, einem starken Schmerz oder Schlag ähnelte, auslöschen. Wenn ich mich von ihnen auf die Palme bringen ließ, würden sie mich der Fähigkeit berauben, dem System gegenüber wütend zu sein. Und dann würde ich lächeln, wenn andere Leute von irgendwelchen Vorschriften herumgestoßen wurden.
    Die Zwangsjacke und die Lederriemen beengten mich kaum, dennoch konnte ich mich nicht rühren. Ein Arzt maß an meiner Halsarterie meinen Pulsschlag. „Gewicht zweihundert?“ Er setzte eine Spritze an eine markierte Stelle meines Halses und jagte mir die ganze Ladung hinein. Die Auswirkung der Injektion bestand aus einem Zusammenziehen meiner Muskulatur. Ich hatte ein beengendes Gefühl in der Brust und bekam Angst. Aber das lag an den Chemikalien und hatte keine Ähnlichkeit mit meinen bisherigen Gefühlen.
    Der Arzt trat zurück. Unsere Blicke trafen aufeinander, und ich versuchte ihn zu packen, damit er das gleiche fühlte wie ich. Ich arbeitete meistens unter Notfallbedingungen. Während meiner gesamten Kindheit hatten die Lehrer für mich die Formulare ausgefüllt. Der Azteken-Priester hatte die Opferungszeremonie unterbrochen. Wenn der Arzt erkannte, daß er das gleiche fühlte wie ich, würde er Angst kriegen, daß die Gehirnwäsche auch ihn in Mitleidenschaft zog – dann mußte er die Behandlung sabotieren. Aber ich konnte mich nicht auf ihn einstimmen. Er war nicht richtig da. Er verfolgte einen Gedanken und hatte ein Gefühl, daß ich weder lokalisieren noch verstehen konnte.
    Der Arzt starrte in mein Gesicht und versuchte darin zu lesen, so wie ich in seinem. Wir versagten beide. Möglicherweise fragte er sich, warum ich nichts sagte.
    Aber was ich auch sagen würde – nichts würde mich hier herausbringen.
    Der Arzt und seine Helfer gingen hinaus. Die Tür schloß sich mit einem sanften Geräusch hinter ihnen. Alles war hier schalldicht. Es war sehr still in diesem Zimmer, und die Wände waren gepolstert. Ich saß da,

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