Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
Vom Netzwerk:
bewegen. Mit einer theatralischen Geste nahm er einen Schluck aus der Pulle. „Denkst du eigentlich oft an Wasser? Und Coke? Oder an Orangensaft? Hast du nicht plötzlich den Geschmack von irgendeinem Saft im Mund, wenn du versuchst, an was anderes zu denken?“
    „Das hast du wohl auch schon mal mitgemacht“, sagte ich, die Genauigkeit seiner Beschreibung erkennend. Larry starrte mich an; irgendeine ultimate Angst schien ihn gepackt zu haben. In einem kurzen Aufblitzen sah ich ein kleines Kind vor mir, das ohne etwas zu trinken in einen Raum eingeschlossen war. Das Kind war von Entsetzen gepackt, und es glaubte, daß man ihm erst dann Wasser brachte, wenn es gehorchte. Und das kindliche Entsetzen schloß mit ein, daß Gehorsamkeit nur eine andere Form des Todes war. Nur Maschinen gehorchten. Wähle zwischen zwei Arten des Sterbens.
    „Deine Alten scheinen ja ganz schön verdreht zu sein“, sagte ich.
    Der panische Schrei verstummte, als Larry die Augen ein Stück zusammenkniff, „Ich werd’ schon mit ihnen fertig“, sagte er. „Und ich wird’ auch mit dir fertig. Alle versuchen mich aufzuhalten. Du versuchst mich dadurch aufzuhalten, indem du ein guter Kerl bist. Aber mich hält niemand vom Nachdenken ab. Niemand hat es geschafft, mich vom Nachdenken abzuhalten. Und du wirst es auch nicht schaffen.“
    Ich träumte eine Erinnerung, aber plötzlich war da ein weißer Blitz. Ein Blitzstrahl, der den Jungen traf. Seine Silhouette wurde weiß und leer wie die einer Glühbirne. Eine flüsternde Stimme sagte: „Ich kann nicht gehorchen. Wenn ich genau das täte, was ihr wollt, Mammipappi, würde ich nicht mehr ich sein. Ihr werdet nie herauskriegen, wer ich bin. “ Es war ein Flüstern, das noch schlimmer war als ein Hilfeschrei. Ich hatte einen weißen Blitz im Kopf. Larry löste sich auf. Es hatte ihn nie gegeben.
    Ich erwachte, bewegte mich nicht – und war ebenfalls in Gefahr. Der Blitz wartete nur darauf, auch mich zu treffen.
    Ich tastete in meinem Geist herum, um zu erfahren, was geschehen war, fand aber keinerlei Unstimmigkeiten – nur eine fremdartige, friedliche Leere, die sich an der Stelle befand, wo es eben noch geblitzt hatte. Irgend etwas, das ich über das Leben wissen wollte, war in dieser Woche beinahe beantwortet worden, aber jetzt konnte ich mich nicht mehr an die Frage erinnern. Der Blitz hatte mich irgendwie getroffen. Ich konnte die Frage, nach der ich in Larrys Bande gesucht hatte, nicht mehr formulieren.
    Man hatte Larry eine Gehirnwäsche verpaßt, und damit waren auch all die Fragen verschwunden, die ich ihm gestellt hatte, damit er sie beantwortete.
    Ich tastete nach Larry, griff mit meinen ESP-Kräften in die Stadt hinein, berührte aber lediglich eine desorientierte, friedliche Leere. Im allgemeinen wandte man eine Gehirnwäsche an, um jegliche Erinnerung an Angst und Haß in bezug auf die Autoritäten auszulöschen sowie Erinnerungen an Bestrafungen und Rachegelüste zu vernichten. Seit er ein Säugling gewesen war, hatten Larrys Eltern versucht, ihren Sohn zu konditionieren. Jede freie Minute seines Lebens hatte er in Angst verbracht – in der Angst vor Bestrafung und der Angst vor einer imaginären Autorität. Jetzt war alles ausgebrannt. Die Behandlung hatte seine gesamte Erinnerung ausgelöscht. Der Mensch, der einst der Dichter, Historiker und jugendliche Radikale Larry Rubaschow gewesen war, hatte zu existieren aufgehört und war nur noch ein leerer, lebendiger, fünfzehn Jahre alter Körper, der sich nicht mehr an sich selbst erinnern konnte.
    Ich stand auf. Ich hatte noch immer ein zielgerichtetes Gefühl in bezug auf den Blitz. Obwohl ich geschlafen hatte, schienen die schwächer werdenden Echos in meinem Kopf aus der Nähe zu kommen. In welchem Krankenhaus war ich überhaupt?
    Mein Zimmer war leer. Der Bettaufzeichner hörte auf, meinen Pulsschlag, meine Temperatur, die Herz- und Gehirnwellenfunktion aufzuzeichnen. Die wellenförmigen Linien wurden zu geraden Strichen. Da der unter dem Bett befestigte Gewichtsmesser registrierte, daß ich aufgestanden war, konnte die Zentraleinheit davon ausgehen, daß ich keinesfalls tot war. Schließlich mußte jeder mal ins Bad.
    Aber wie fanden sie heraus, daß man auch wirklich auf die Toilette ging? Maß die Klobrille etwa das Gewicht eines auf ihr Sitzenden? Ich nahm ein Nachtschränkchen, das neben meinem Bett stand und stellte es auf die Klobrille, damit es aussah, als hätte jemand darauf Platz genommen.
    Meine Kleider fand

Weitere Kostenlose Bücher