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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ich in einem schmalen Schrank. Sie hingen an einem Haken. Sie waren feucht vom Blut gewesen, aber jetzt waren sie wieder trocken und sauber. Ich zog mich an und beeilte mich, denn ich wollte zur Quelle des tödlichen weißen Blitzes vorstoßen und die Bürokraten dazu bewegen, ihn zurückzunehmen, es irgendwie ungeschehen zu machen, Larry seine Erinnerungen wiederzugeben und ihn zu fragen, was er wollte, denn er wollte irgendwas vom Leben haben, etwas, das wir uns alle von ihm wünschen sollten; etwas, das das Leben ausmacht.
    Meinem Riecher folgend pirschte ich durch die Korridore, klaute mir aus einem Schrank einen weißen Kittel, brabbelte etwas vor mich hin, damit man mich für einen Arzt hielt, und verschwand aus dem Flügel, in dem ich untergebracht war, in den achtzehnten Stock, wo die psychiatrische Abteilung der Polizei lag. Der Aufzug wurde langsamer und ließ rote Buchstaben aufleuchten: PSYCHIATRISCHE ABTEILUNG DER POLIZEI FÜR KRIMINELLE GEWALTTÄTER.
    Ich stieg aus. In der Halle hielten sich eine Menge Leute auf. Ich streckte meine geistigen Fühler aus, suchte die Gegend nach Larrys Ausstrahlung ab, war auf jede Gefahr vorbereitet und registrierte eine Person nach der anderen. Ich wußte von jedem, wer er war und was er tat, aber dann schob ich sie alle beiseite, denn Larry war nicht unter ihnen.
    Ich blieb stehen und überprüfte meine Eindrücke noch einmal. Hatte ich sie wirklich alle verstanden? Welche Art von Wissen hatte ich mir angeeignet, als ich unter der Einwirkung der Pillen stand? Hatte ich unter Hypnose nicht versucht, Larrys Befehlen zu gehorchen und die unmöglichsten Dinge zu tun? Außersinnliche Wahrnehmungen sind größtenteils etwas Tierisches, und ich war nur ein Empath gewesen, der die Gefühle der Leute aufnehmen konnte; wie ein Tier, das herausfinden will, ob man ihm freundlich oder feindlich gesinnt ist.
    Während der Hypnose hatte Larry mich gesteuert und dazu gedrängt, mich auf das Wissen bestimmter Experten einzustimmen. Ich hatte ihren Berufsstolz kennengelernt und wußte, daß sie Freude empfanden, wenn sie gute Arbeit geleistet hatten. Wenn etwas danebengegangen war, sorgten sie sich. Als ich darüber nachdachte, kam das ganze Expertenwissen zu mir zurück, als sei es mein eigenes. Ich konnte mir die Bildung dieser Leute aneignen und ein Allround-Experte sein.
    Anwesend waren zwei Detektive und ein uniformierter Polizist. Befriedigt; sie hatten eine Arbeit beendet und einen Kriminellen seiner Bestrafung zugeführt. Nun fragten sie sich, wie ihr nächster Auftrag aussah. Und als trügen sie ein offenes Buch mit sich herum, wußten sie alles über die Fälle, auf die man sie angesetzt hatte. Da war auch ein Neurologe – und ein Techniker, der die Anlage eingestellt und die Schaltungen vorgenommen hatte. Zu schnell zum Höhepunkt. Keine Zeit mehr, das Gas wegzunehmen. Sie hatten sich alle in einer Halle versammelt und sahen hinter einer Bahre her, die gerade in den Aufzug nach unten geschoben wurde. Die Türen schlossen sich zischend, dann war der Junge auf der Bahre weg.
    Neben mir sagte ein Rechtsanwalt: „Er hatte den Daumen im Mund!“ Habe ich gute Arbeit geleistet? Habe ich seine Rechte geschützt? In seiner Erinnerung lief der Fall noch einmal im Zeitraffertempo ab. Ich bekam einen Schnellkursus in Rechtswissenschaften. Man hatte ihm eine Totalwäsche verpaßt. Das war außergewöhnlich. Der Junge auf der Bahre war einmal Larry gewesen, aber jetzt war er es nicht mehr. Sie würden ihm eine neue Bildung verpassen und einen anderen Namen geben. War Larry Rubaschow damit gesetzlich für tot erklärt? Ist Identitätsverlust gleichzusetzen mit der Todesstrafe? fragte sich der Rechtsanwalt. Wenn ja, habe ich dann alles getan, um meinen Klienten vor einer möglichen Exekution zu bewahren?
    Der Wächter starrte immer noch gedankenverloren auf die geschlossene Aufzugtür und streckte eine Hand nach mir aus. „Ihren Paß, bitte.“
    Ich durchwühlte meine Taschen und holte den Ausweis hervor, mit dessen Hilfe ich diese Abteilung schon vor einem Monat besichtigt hatte. Er war zerknickt und sah alt aus.
    Der Wächter musterte ihn verwundert. „Der ist ja schon einen Monat alt. Wo ist der von heute, Herr Doktor?“ Er warf noch einen Blick auf den Paß. „Äh, Mr. Sanford.“
    „Sanford?“ Einer der Detektive drehte sich herum und musterte mich mit einer Wachsamkeit, als hätte er meinen Steckbrief vor seinem inneren Auge. „George Sanford?“
    Ahmed hatte gesagt, ich

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