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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Ahmed hatte Schuld daran. Es tat weh. Plötzlich schrie ich; „Aber das ist doch ganz etwas anderes! Ganz was anderes! Ach, halt doch die Schnauze!“ Ich sah die Traumfragmente, die ich ablehnte, schob sie beiseite, versuchte mir einzureden, daß ich sie nie hatte haben wollen und keine Pläne in dieser Hinsicht hatte. Es waren die Träume, in denen ich selbst vorkam, mit einem Harem der begehrenswertesten Mädchen der Welt, denen ich befohlen hatte, unsterblich in mich verliebt zu sein. Ich sah das Gesicht Anns, ich sah ihre großen, liebevollen Augen und ihren nackten Leib – und ich schob alles beiseite. Ich sah mich in einem Traum als den Oberkommandierenden einer Armee; ich gab dem Präsidenten der Vereinten Nationen meine Anweisungen und sprach vor gewaltigen, gehorsamen Menschenmengen. Macht! Ich hatte die gleichen Machtphantasien wie die Hundesöhne, denen ich eine Gehirnwäsche verpaßt hatte!
    Ahmed hatte all meine Träume von Macht und Ruhm zerstört. Er war ein Alpha, ein geborener Befehlsgeber. Er wußte, was die Macht war. Macht es etwa einen Unterschied, ob man den Leuten per Hypnose oder mit der Maschinenpistole in der Hand sagt, was sie tun sollen? Ich sah das Bild eines großen Schlägers, der den Leuten die Arme auf den Rücken drehte und sie so zum Gehorsam zwang. Ich? Ja, ich.
    Ahmed hatte immer noch mehr drauf als ich. Das Blitzlicht seines Geistes zeigt Käfer in dunklen Ecken.
    Ahmed grinste in einer sympathischen Art und übermittelte mir schweigend Botschaften in einer indianischen Zeichensprache.
    Mir fiel ein, daß ich ihn angeschrien hatte. „Halt die Schnauze!“ hatteich geschrien. Er konnte nicht sprechen. Er war nicht fähig, auch nur einen Laut von sich zu geben. Es war beängstigend, als hätte ich meinem eigenen Gehirn befohlen, das Denken einzustellen.
    „Mach’ weiter, Ahmed, rede. Und mach’ mich zur Schnecke“, sagte ich. Ich war frustriert bis auf die Knochen. Das Ego hat manchmal ein absonderliches Verlangen. Ahmed stellte die unheimliche Gestikuliererei ein und grinste.
    Ich erwiderte sein Grinsen.
    „Laut meiner Definition ist derjenige ein vernünftiger Mensch, der mit mir einer Meinung ist“, sagte er. „Hast du eigentlich in letzter Zeit irgendwas gegessen?“
    Wir bestellten was, setzten uns im Schneidersitz an die Enden meines Bettes und teilten uns einen Riesentruthahn und einen großen Teller mit Beilagen. Truthahn, Preiselbeeren und Kartoffelbrei. Ein Festessen.
    „Warum steht eigentlich das Nachtschränkchen auf der Toilette?“ fragte Ahmed. Ich warf einen Blick ins Badezimmer. Es stand immer noch da. Wir gaben uns beide Mühe, nicht zu lachen.
    Ahmed fing an, einen Witz zu erzählen. Es war nett und ruhig in meinem Krankenzimmer. Die Wände waren rotbraun gestrichen. Aber mir fiel ein, daß ich vergessen hatte, mit dieser Telepathengruppe in den kalifornischen Bergen fertig zu werden. Irgendwas hatte mich an sie erinnert. Irgendwas Unerklärliches.
    Ahmed redete immer noch, aber es kam kein Ton. Irgendwas ging hier vor. In meinem Kopf erklang ein hochgradig schrilles Heulen. Ahmed fing an, sich hinter durchsichtigen Flecken aufzulösen. Er redete weiter und machte dabei stumme Gesten. Die durchsichtigen Flecken erschienen jetzt auch auf dem Fenster und auf den Wänden. Sie wurden größer und verschwammen zu einer leeren Welt aus herumwirbelndem Grau.
    Langsam machte sich innerhalb des Graus ein wirbelndes Blau bemerkbar, das immer größer wurde. Ein bewölkter, blauer Himmel, helles Licht. Bruchstücke von Menschen begannen zu materialisieren. Sie saßen in einem Kreis um mich herum, Männer und Frauen in langen, pastellfarbenen Roben, die im Gras saßen. Weit in der Ferne senkte sich die Sonne in einem goldenen Schein dem Meer entgegen.
    Ein hübsches, rothaariges Mädchen stand auf, kam auf mich zu und umarmte mich.
    „Willkommen in Kalifornien, George.“ Die Umarmung fühlte sich echt an. Auch der Wind: Er war kühl, feucht und real. Ich schaute mir die Leute, die um mich herum saßen, an. Sie hatten Zeit meines Lebens versucht, mit mir in Kontakt zu treten, und waren so oft in meiner Einbildung aufgetaucht, daß ich ihre Gesichter kannte. Sie waren stets meine Freunde gewesen.
    Aber ich wußte, was sie wollten. Sie wollten meine Befehlsgabe einsetzen. Sie wollten, daß ich mit meiner hübschen neuen Maschinenpistole zielte und den Abzug betätigte.
    Sie brauchten den gleichen Tritt in den Hintern, den Ahmed mir versetzt hatte. Ich setzte mich

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