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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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und Bestrafung zurückkehren.“
    Die Gewalt des aus dem zweiten geschlossenen Raum hervordringenden Schreckens ließ mich erschaudern. Dieser Patient war wirklich krank. In den meisten Nächten seines Lebens hatte er unter schweren Alpträumen zu leiden, aber er brachte es fertig, sie bei Tageslicht zu vergessen. Die Maschinerie zwang ihn dazu, sich an seine Alpträume zu erinnern. Sie brachte sie zurück und machte sie heller als die Wirklichkeit. Ich versuchte mich von seinem Alptraum zu lösen und mich auf das kühle Abbild des Korridors und des vor mir stehenden Arztes zu konzentrieren. „Es ist wie Sex, nicht wahr?“ sagte ich. „Es steigt hoch und brennt aus.“
    Der junge Arzt sah unbehaglich aus und drehte meine Ausweise wieder und wieder herum. „Sie wissen ja schon eine Menge. Man muß Ihnen ja schon viel erzählt haben. Es scheint alles in Ordnung zu sein, aber da Sie keinen Standardausweis der Polizeischule haben, ist es wohl besser, wenn ich Sie hier herumführe.“
    „Ich will die armen Schweine, die man hier einer Gehirnwäsche unterzieht, gar nicht sehen“, sagte ich hastig. „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Ich möchte nur wissen, warum … Ich meine, woher kommt diese Mischung? Ich meine, wenn die Leute so ängstlich sind, daß sie ihren Verstand nicht mehr gebrauchen können, woher kommt dann dieses andere gute Gefühl in sie rein?“ Die Furcht und Konfusion, die aus dem zweiten Raum kam, verwandelte sich in eine unverständliche Freude. Ich wollte hier raus, bevor es wieder anfing zu brennen. „Zeigen Sie mir den Weg zu dem Lift, der nach unten geht?“
    „Hier entlang.“ Der junge Mann mit der weißen Jacke begleitete mich, als ich den angegebenen Weg ging. Er erklärte es mir. „Mit dem Glücksgefühl fingen die Behandlungen in den frühen Fünfzigern an. Elektroden da und dort.“ Er zeigte auf seine Schläfen. „Und hier hinten.“ Er berührte seinen Nacken. „Ein bißchen Saft – zu wenig, um das Gehirn zu schädigen – erzeugt eine Glückserfahrung mit natürlicher Rückkopplung. Daraus werden alles überflutende, synchrone Wellen, ein epileptisches Zucken, wie bei einem Orgasmus. Es war eine harmlose Sache, und die Experimentatoren betrieben sie mit der Begründung, sie gäbe Aufschlüsse über Epilepsie. Man bezeichnete es als großartige Erfahrung. Die Behörden hatten Angst, es könnte zu einer Art Sucht führen.“
    Er hielt vor dem Aufzug an und drückte den Knopf. „Aber dann fiel ihnen auf, daß keine der Testpersonen einen zweiten Versuch unternehmen wollte. Sie sagten zwar, es sei wundervoll gewesen, aber der Gedanke an eine Wiederholung schien sie zu langweilen. Drängte man sie, einen neuen Versuch zu machen, oder wurde man hartnäckig, gaben sie sich geistesabwesend und unkonzentriert.“
    Während wir auf den Lift warteten, gab ich mir alle Mühe, seinen Worten zu lauschen, aber das war nicht einfach, denn zwischen uns war eine Wand aus Grauen, die in dem zweiten Raum erzeugt wurde und sich plötzlich in einen freudigen Höhepunkt umwandelte. Dann kam eine alles überflutende, blinde, sorglose Ekstase, die in einem Blitz verbrannte. Der Arzt redete weiter. „Forscher fanden heraus, daß diese Erfahrung das gesamte Lustzentrum ausgebrannt hatte und die Versuchspersonen keinen Drang mehr verspürten, diesem Ziel weiterhin nachzugehen. Man versuchte die Elektroden mit anderen Ideen zu kombinieren. Man gab einer Testperson eine Zigarette und erzählte ihr, sie würde den Himmel auf Erden erleben, wenn sie sie rauchte. Das geschah auch, und die Testperson gab das Rauchen auf. Eine Zeit lang behandelte man die Leute auf diese Weise, um ihnen das Rauchen abzugewöhnen. Dann behandelte man sie so gegen Kleptomanie, und auch das wirkte. Die Leute hörten mit dem Stehlen auf. So radiert man Obsessionen, Ambitionen und die dominierenden Ziele aus und stärkt und vergrößert die nächst größeren. Der neue Bursche ist der alte, nur mit einer Hülle versehen.“
    Ich sah in sein ernstes und überzeugtes Gesicht und erinnerte mich an einen Haufen Gerede das gar nicht dazu paßte. „Aber alle sagen, daß ein Bursche, der eine Gehirnwäsche hinter sich hat, weggetreten, ausradiert und vernichtet ist“, sagte ich. „Sie vergessen ihren Namen, meiden den Umgang mit alten Freunden und vergessen ihre Familien. Und was diese Kriminellen da hinten angeht: Sie schreien. Sie werden zwar nicht gefoltert, aber sie schreien auch nicht gerade vor Freude.“
    Der Arzt sah

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