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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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mißgestimmt aus und sah sich um, als suche er auf dem Boden nach Ideen. „Wir wissen nicht, ob sie schreien. Die Wände sind schalldicht. Aber wir haben auch nicht vor, ihnen den Aufenthalt hier angenehm zu machen. Wir verändern verurteilte Kriminelle, die wütend auf uns sind und Angst vor Bestrafung haben. Der Strom stachelt ihren Haß an und baut ihn auf, bis er eliminiert wird. Vielleicht waren Bestrafungen die Ursachen ihrer Kriminalität. Die meisten Kriminellen sind zu oft oder zur falschen Zeit bestraft worden; sie brechen Gesetze, weil sie von Haß erfüllt sind. Der Strom bringt ihre Angst und Wut zum Überkochen und löscht sie dann aus. Manchmal radiert er sogar sämtliche Erinnerungen aus, wenn Furcht und Angst den Kern einer Persönlichkeit ausmachen.“
    „Vielleicht sollte man die Leute, die dafür verantwortlich sind, auch dieser Behandlung unterziehen.“
    „Vielleicht; aber schließlich ist der Kriminelle kriminell, nicht seine Eltern. Das Gesetz bestraft einen für das, was man tut; nicht für das, was einem angetan wurde.“
    Der Lift kam langsam hoch und bewegte sich an den vielen Stockwerken vorbei.
    „Hört sich nicht schlecht an“, sagte ich. „Warum erzählen die Leute dann solche Geschichten? Ich meine, warum haben sie so schlechte Gefühle, wenn sie über Gehirnwäsche reden? Äh, ich meine Elektronische Persönlichkeitsrestrukturation?“
    „Weil wir wollen, daß sie Angst davor haben. Wenn die Kriminellen hierherkommen und glauben, sie erwarte ein großer Spaß … Wenn bekannt würde, daß sie eine Erfahrung machen, die dem Sex ähnlich ist, kämen die Kriminellen mit der Vorstellung hierher, Sex und Freuden vorzufinden. Und das, woran sie glauben, wird dann überzüchtet und ausradiert.“
    Der Arzt sprach lauter und machte besorgte Gesten. „Wenn Sie glauben, daß die Öffentlichkeit schlecht über uns denkt, weil wir die Erinnerungen der Leute in bezug auf Bestrafung – und manchmal ihre Namen – löschen, dann denken Sie mal daran, wie man über uns spräche, wenn wir sie nach einer Gehirnwäsche hier rausließen, nach der sie zwar vergessen haben, was Sex ist, aber immer noch Verbrechen begehen. Unser gegenwärtiges öffentliches Image mag schlecht sein, aber das ist genau das, was wir wollen. Wecken Sie bloß keine schlafenden Hunde.“
    Zischend öffnete sich die Liftkabine.
    „Ich werde nicht darüber reden“, versprach ich und stieg ein. „Danke für den Vortrag.“
    Ich ging in den Sonnenschein hinaus und sah auf der anderen Straßenseite einen Jungen, der zögernd an der Ecke stand. Da man – ausgenommen die äußerst langsamen Busse für die alten Leute und die Touristen – jeglichen Verkehr aus der Stadt verbannt hatte, trugen die hier verkehrenden Ambulanzfahrzeuge deutlich zu seiner Verunsicherung bei. Als die Ampel grün wurde, jagte der Wagen los.
    Als ich Grün hatte, ging ich über die Straße auf den Jungen zu. Ich tat so, als hätte ich mich verlaufen, und fragte ihn, wie ich zum nächsten Rollband käme, welchen Zwecken das Krankenhaus diente und ein paar Sachen, bis der Junge sich ungeheuer wichtig vorkam, weil er einem Erwachsenen Ratschläge geben konnte.
    Als die Fußgängerampel grün wurde, ging er über die Straße und strahlte Zufriedenheit aus.
    Ich ging in eine Telefonzeile und wählte die Rettungsbrigade an. Ich wollte in der Vermittlung nach Ahmed fragen, aber die bekam ich gar nicht an die Strippe. Statt der Vermittlung meldete sich die tiefe, rasselnde Stimme von Judd Oslow.
    „Rettungsbrigade Oslow am Apparat.“
    „Verzeihung, Chef, aber ich wollte Ahmed haben.“
    „Haben Sie diese Arbeitsberichte schon ausgefüllt, Sanford?“
    „Ich war da, aber es war abgeschlossen.“
    „Wann war das?“
    „Etwa zwischen halb acht und acht.“
    Dann kam eine Pause, und ich hörte, wie er nach Luft schnappte, um nicht in die Luft zu gehen. „Sie glauben möglicherweise, Sie könnten mich auf den Arm nehmen, Sanford, aber da irren Sie sich. Sie sind ein fauler Hund. Niemand füllt gern Formulare aus, aber in dieser Abteilung hat jeder die Pflicht, auch unangenehme Aufträge selbst zu erledigen. Man bürdet sie nicht anderen auf. Solange Sie diese Formulare nicht ausfüllen, können wir Sie für Ihre verrichteten Tätigkeiten auch nicht bezahlen. Ich weiß, daß Sie in dieser Woche gearbeitet haben; der Irre, den Sie heute morgen aufgespürt haben, taucht auch in den Berichten von anderen Leuten auf. Aber wir können Sie nicht dafür

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