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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Eichenholzschreibtisch. Der altmodische, vinylverkleidete Fußboden erzeugte das feine Quietschen sich hin und her bewegender Füße. Nur in der Nähe der Sprechmuschel gab es keine Echos, denn der große, eingefallene Körper des Chefs absorbierte sie.
    „Ja, Sir, ich höre zu.“
    „George, Ahmed ist verschwunden. Wir haben heute mit der Post seinen Armbandsender bekommen. Natürlich ohne Absenderadresse.“
    Es war, als hätte mir jemand in den Magen getreten.
    „Glauben Sie, er ist tot?“
    „Nein, er wird nur vermißt. Er hat sich seit Mittwoch nicht mehr gemeldet, aber der Armbandsender deutet nicht darauf hin, daß er ermordet wurde.“
    Ich hatte keine Lust, darüber zu reden. Als ich noch ein Junge war, hatten mir meine Freunde Geschichten von Banden- und Organisationskriegen erzählt. Wenn irgendeine Organisation oder Bande jemanden umbrachte, schickte sie seine Armbanduhr in einem kleinen Päckchen an dessen Familie. Ahmed war jetzt seit einem Jahr bei der Polizei und Mitglied der Rettungsbrigade. Wenn jemand die Brigade für seine Familie hielt, konnte er durchaus tot sein.
    „George, sind Sie noch da? Haben Sie irgendwas von Ahmed gehört? Irgendwelche Botschaften oder Vibrationen aufgefangen?“
    „Nein.“ Ich hatte Ahmeds Vibrationen nie auffangen können. Schon als Kind – als er noch der Boß unserer Straßenbande gewesen war – hatte ich ihn für ein Gehirn ohne irgendwelche Gefühle gehalten. Intelligenz ist ein weißes Licht, das einem zeigt, wie man dies und jenes macht. Sie läßt einen alle Situationen kühl betrachten und macht aus einem Durcheinander etwas Harmonisches. Ahmed hatte einen Suchscheinwerfer, der direkt aus seinem Inneren kam.
    Ich weiß eine Menge über Gefühle – über meine und die von anderen. Als wir größer wurden, brauchten wir dieses Licht alle.
    „Er wird seit Mittwoch vermißt?“ wiederholte ich und hörte meine Stimme knurren. „Warum haben Sie mir das nicht eher gesagt?“
    „Kein Grund zur Aufregung. Sie kriegen den Job, ihn zu finden.“
    „Wer arbeitet sonst noch an der Sache? Verlassen Sie sich nicht nur auf mich. Sie werden eine Menge Leute brauchen. Schicken Sie die ganze Abteilung los. Ich habe nicht mal Geld für die Auslagen.“
    Seine Stimme war immer noch geduldig und langsam. „Sie sollten die Zeit und die Spesen aufführen und uns dann eine Rechnung ausstellen, haben Sie das vergessen? Sie haben noch nicht mal einen Bericht über die beiden letzten Jobs angefertigt.“
    „Ich mag keinen Papierkram“, murmelte ich. „Ich fühle mich schon krank, wenn ich Formulare zu lesen versuche. Ich bin neurotisch.“ Ich bin psychotisch. Ich kriege Angst und sehe Flugzeuge abstürzen, sagte ich ihm im stillen.
    „Dann lassen Sie’s von Ihrer Freundin machen“, schnappte der Chef.
    Ich schaute auf, aber das Blumenmädchen ging schon weiter. Sie schaute zurück und winkte, hielt aber nicht an. Ich vergaß sie.
    „Ich brauche etwas Geld, um nach Ahmed zu suchen“, murmelte ich.
    Der Chef klang müde. „Geben Sie mir die Nummer Ihrer Kreditkarte und den Namen Ihrer Bank, dann lasse ich hundert Dollar auf Ihr Konto überweisen. In Ordnung?“
    „In Ordnung.“ Ohne Geld ist auch ein reicher Bursche arm. Ich kam mir immer noch pleite vor.
    Der Chef hörte mir zu. „Sie haben das Geld in zehn Minuten, George. Sie sind nicht pleite. Denken Sie daran, daß wir Ihnen viel mehr Geld schulden als das. Sie brauchen nur Ihre Berichte abzuliefern und Ihre Quittungen zu sammeln. Tun Sie bloß, was die Buchhaltung wünscht, sonst wird man mir den Hunderter von meinem eigenen Gehalt abziehen.“
    Vielleicht fiel mir ja noch was ein, wie ich die Berichte fertigkriegen konnte. Im Moment interessierte mich aber nur der Auftrag. „Woran hat Ahmed gearbeitet, als Sie das letzte Mal von ihm hörten?“
    „Im Revier an der Madison Avenue, Ecke 53. Straße, wartet ein Bericht auf Sie“, sagte der Chef, und mehr war nicht aus ihm rauszukriegen.
    Ich marschierte eine Meile nach Süden, hielt dann wegen einer Tasse Suppe an einem Essensautomaten an, drückte den Suppenknopf und steckte meine Kreditkarte in den Schlitz. Ich hörte zu, wie der Automat klickte und rappelte. Er akzeptierte die Karte, spuckte sie wieder aus und servierte mir die Suppe. Es war herrlich anzuhören und ein gutes Gefühl, wieder eine Kreditkarte zu haben, die zu was nütze war.
    Ein Junge ging vorbei.
    „He, Junge, hast du Ahmed den Araber gesehen?“
    „Wen?“
    „So ein großer,

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