Der Fälscher aus dem Jenseits
zusammen.
»Ich... Ich überleg’s mir.«
Die Polizei wäre eine Katastrophe! Falls die bei ihm herumschnüffeln käme, selbst wegen einer Terroristengeschichte, würde sie sicher merken, dass der bauliche Zustand seines Hauses nicht den Vorschriften entsprach. Sie würde ihm die Hygieneinspektion auf den Hals schicken. Außerdem war seine Buchführung getürkt. Er betrog das Finanzamt.
»Das erledige ich schon allein. Danke, Madame Lefèvre.«
»Sie halten mich doch auf dem Laufenden, ja?«
Louis Genet murmelte ein paar zustimmende Worte und ging. Doch er hatte Angst, körperlich Angst. Er zitterte um sein Leben. In Wirklichkeit war er nicht im Geringsten bedroht, weil er es nicht mit einem Terroristen, sondern nur mit einem Betrüger, einem Schwindler, zu tun hatte. Aber das erfuhr er erst zum Schluss. Natürlich zu spät.
Den ganzen Tag über zögerte Louis Genet. Natürlich wäre es vernünftig gewesen, die Polizei zu rufen. Solche Leute waren gefährlich. Gegen die konnte er nichts ausrichten. Aber schließlich siegte sein Geiz. Es kam nicht in Frage, dass andere sein Haus und seine Bücher inspizierten. Außerdem bekam Victor Vincenzo nie Besuch, wie die geschwätzige Elster von gegenüber gesagt hatte. Mann gegen Mann, mit dem Überraschungseffekt auf seiner Seite, hatte er eine Chance. Zumal er bewaffnet war. Er besaß einen Revolver, allerdings ohne Waffenschein.
Elf Uhr abends. Louis Genet saß in seiner kleinen Wohnung im Erdgeschoss. Er hatte alles verdunkelt, um so zu tun, als schliefe er. Schließlich hörte er die Schritte des Mieters vom vierten Stock. Sein Herz pochte wie wild, aber sein Entschluss stand fest. Zunächst musste er ihm Zeit lassen, mit seiner geheimnisvollen Tätigkeit anzufangen. Der Hausbesitzer wollte erst um Mitternacht zuschlagen. Was würde er dann wohl entdecken? Was machte Vincenzo hinter den geschlossenen Fensterläden? Bastelte er Bomben? Entschlüsselte er geheime Nachrichten? Gab er mit einem Funkgerät Meldungen durch?
Um Mitternacht stieg Louis Genet zitternd, schweißgebadet, aber dennoch entschlossen die vier Etagen hinauf, den Revolver in der rechten und Nachschlüssel in der linken Hand. Dann stand er vor der Tür. Geräuschlos glitt der Schlüssel ins Schloss, das er vorher gut geölt hatte. Schließlich riss er die Tür auf. »Verdammt! Was ist denn das?«
Die heruntergekommene Einzimmerwohnung mit der feuchten Decke, den verschimmelten Wänden und den morschen Holzdielen war mit seltsamen Utensilien voll gestopft. Da standen und lagen Zinkplatten, eine Handpresse, Säurebecken, Glasgefäße mit Chemikalien und winzige Farbbehälter. Bei seinem Anblick hob Victor Vincenzo, ein großer Kerl mit braunem Schnurrbart, die Hände.
»Nicht schießen!«
»Was fabrizieren Sie da in meinem Haus?«
»Falsche Tausendfrancscheine. Ich bin verloren!«
»Tausendfrancscheine?«
Sofort senkte der Mietwucherer die Waffe und lächelte breit. Er war also kein Verschwörer, sondern ein Falschmünzer! Louis Genet stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. So einer war wenigstens nicht gefährlich. Sein Mieter ließ sich auf den einzigen, wackligen Stuhl fallen, der im Zimmer stand.
»Das musste ja irgendwann so kommen! Sind Sie wegen meiner Uhrzeiten auf mich aufmerksam geworden?«
»Ja. Genau deswegen.«
»Nachts arbeite ich hier. Tagsüber schlafe ich in einer anderen Wohnung und bringe meine Scheine in Umlauf. Bestimmt haben Sie sich gefragt, wann ich eigentlich schlafe?«
Während Louis Genet zuhörte, trat er an die geheime Werkstatt heran. Auf der Presse lag ein noch feuchter Tausendfrancschein. Drei weitere Scheine waren mit Wäscheklammern an einer zwischen zwei Wänden gespannten Leine befestigt. Er nahm einen, befühlte ihn und hielt ihn gegen die nackte, von der Decke baumelnde Glühbirne.
»Nicht schlecht imitiert.«
»Sie sind streng. Seit Jahren probiere ich nun schon herum und glaube, fast die Perfektion erreicht zu haben. Leider kann ich mit der Handpresse nur einen pro Nacht herstellen.«
»Der Schein ist sehr ähnlich, aber man sieht, dass er falsch ist.«
»Von wegen, der ist perfekt. Tauschen Sie ihn morgen Früh um, dann werden Sie ja sehen!«
Victor Vincenzo gab ihm noch die drei anderen Scheine, inklusive den feuchten, der frisch aus der Presse kam.
»Tauschen Sie die da auch um. Wenn man auch nur einen ablehnt, will ich nicht mehr Vincenzo heißen.«
Der Mietwucherer ging mit sich selbst zu Rate. Jetzt kam es überhaupt nicht
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