Der Fälscher aus dem Jenseits
Ambiente etwas verloren. Sie begutachteten das Möbelstück, hoben die Marmorplatte hoch, prüften die Schubladen, knieten nieder, um den Stempel des Möbeltischlers zu untersuchen und diskutierten über den Preis. Nachdem sie versprochen hatten, sich in spätestens zwei Tagen zu melden, um ihre Zu- oder Absage zu machen, zogen sie sich zurück.
Zwei Stunden später erhielt Madame Gousset-Faure den Anruf eines Antiquitätenhändlers. Zu ihrem großen Bedauern war es allerdings keiner der beiden Besucher, die ihr eine Visitenkarte mit einer Adresse im Umland hinterlassen hatten. Am anderen Ende der Leitung erklärte ihr der Herr etwas verlegen und in behutsamen Worten, dass er selbst Händler sei und dass vor einer Stunde zwei sehr elegante Herren zu ihm gekommen seien, um Tafelsilber zu kaufen. Er sei stutzig geworden, weil sie mit einer Kreditkarte zahlen wollten. Als der Antiquitätenhändler festgestellt hatte, dass die Karte auf den Namen einer Dame lautete, habe er sich geweigert, das Geschäft abzuschließen. Dann habe er sich vorgenommen, die Eigentümerin der Karte herauszufinden, auch wenn deren Name recht ungewöhnlich war. Ob sie kurz überprüfen könne, ob sie immer noch im Besitz ihrer Kreditkarte war?
Madame Gousset-Faure legte den Hörer zur Seite, eilte in ihr Schlafzimmer und öffnete das Portemonnaie, das sich in ihrer Handtasche befand. Tatsächlich fehlte die Kreditkarte, die hier eigentlich in einer Spezialhülle hätte aufbewahrt sein müssen. Sie überprüfte schnell alles: Zweifellos hatten die beiden angeblichen Antiquitätenhändler bei ihrem Besuch die kostbare Karte entwendet. Madame Gousset-Faure griff wieder nach dem Hörer und teilte ihrem liebenswürdigen Gesprächspartner ihre Entdeckung mit. Sie bedankte sich vielmals bei ihm, weil er sie über den Diebstahl informiert hatte.
Was sollte sie tun? Der Herr wusste einen guten Rat: »Sie sollten schleunigst dem Kreditkartenservice den Diebstahl melden, damit alle Einkäufe, die mit Ihrer Karte getätigt werden könnten, storniert werden.«
»Sie haben Recht, ich muss nur schnell die Nummer heraussuchen.«
»Geben Sie sich keine Mühe, gnädige Frau. Ich kenne die Nummer leider mittlerweile auswendig. Rufen Sie sofort die 384267... an.«
Noch ganz aufgewühlt dankte ihm die Eigentümerin der prachtvollen Louis-quatorze-Kommode für seine Liebenswürdigkeit. Dann legte sie den Hörer auf die Gabel und wählte die Nummer des Kartenservice. Sie hatte die Nummer auf einem Stück Papier notiert. Und hier begannen ihre Probleme.
Nach zwei- bis dreimaligem Läuten meldete sich eine neutrale, berufsmäßige Stimme und sagte: »Kartenservice. Sie wünschen?«
Etwas aufgeregt erklärte Madame Gousset-Faure, die versuchte, sich so klar wie möglich auszudrücken, dass vor knapp zwei Stunden zwei Männer bei ihr gewesen waren und die Kreditkarte aus ihrer Handtasche gestohlen hätten. Sie möchte hiermit die Karte sperren lassen. Die weibliche Stimme fragte sie in aller Ruhe nach dem Namen und der Adresse der ausstellenden Bank und der Kartennummer (zum Glück besaß Madame Gousset-Faure noch ein paar Bankauszüge über die Ausgaben, die mit der kostbaren Plastikkarte getätigt worden waren) und weiteren Einzelheiten. Dann fügte die weibliche Stimme hinzu: »Wie lautet Ihre Geheimzahl? Ich muss sie wissen, um die Karte sperren zu lassen.«
Madame Gousset-Faure wusste sie zum Glück auswendig und vertraute sie der Telefonistin an. Beruhigt legte sie den Hörer auf. Wenn sie das nächste Mal zur Bank gehen würde, musste sie sich eine neue Karte ausstellen lassen und in Zukunft würde sie allen falschen Antiquitätenhändlern misstrauen. Doch dies war erst der Anfang ihrer Probleme.
Als sie etwas später ihren Bankauszug erhielt, stellte sie fest, dass die beiden Strolche bereits Einkäufe in Höhe von über zweitausend Franc (etwa dreihundertvierzig Euro) getätigt hatten, und zwar mit einer Karte, die sie, obwohl sie es besser wusste, nicht hatte sperren lassen. Wie war das möglich? Man erklärte ihr alles und sie begriff jetzt, dass die Telefonnummer des Kartenservice, die ihr liebenswürdiger Gesprächspartner ihr mitgeteilt hatte, in Wahrheit die Nummer einer öffentlichen Telefonzelle war, in der eine Komplizin ihren Anruf erwartet hatte.
Die Betrüger waren im Besitz ihrer Kreditkarte, doch war deren Verwendung ohne Geheimzahl mehr als schwierig und gefährlich. Als Madame Gousset-Faure sie unklugerweise der falschen Telefonistin
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