Der Falke des Lichts
hatte. Es ist gut, daß Diuran dich gesehen hat. Sonst wäre ich jetzt immer noch dabei, nach dir zu suchen.« Agravain stieß sein Roß heftig mit den Fersen an und galoppierte über die Klippen. »Komm schon, du kleiner Feigling!«
Ich schwang mich auf mein Pferd und folgte ihm, und ich überhörte die allzu bekannte Beleidigung. Ich war also offenbar tatsächlich ein Feigling. Denn wenn das nicht der Fall gewesen wäre, dann hätte ich die Beleidigung nicht überhören dürfen. Ich hätte mit Agravain gerauft, obwohl ich dabei immer verlor. Aber anschließend waren wir dann jedesmal wieder Freunde. Nach einem Kampf war Agravain immer freundlich.
Ein Gast, aus Britannien, und dann die dringende Aufforderung zu erscheinen. Der Brite mußte eine wichtige Botschaft gebracht haben. Mein Vater hatte zwar viele Spione in Britannien, die ihm regelmäßig berichteten - aber die schickten ihre Nachrichten indirekt und kamen nie selbst nach Dun Fionn. Ein Bote aus Britannien - das bedeutete einen großen Sieg über die Sachsen oder eine Niederlage oder den Tod eines wichtigen Königs.
Irgend etwas, das mein Vater ausnutzen konnte, um seinen Einfluß im Süden zu verstärken. Aber die Sachsen hatten erst vor einem Jahr gegen einen jungen Feldherrn des Pendragon eine Niederlage erlitten, also konnte es das nicht sein. War also ein König gestorben, und wollte mein Vater einen Kuhhandel mit seinem Nachfolger abschließen? Einen Handel, bei dem Agravain und ich irgendeinen Teil erfüllen konnten? Ich drängte mein Pferd schneller vorwärts und überholte Agravain im Galopp. Ich war jetzt aufgeregt und fühlte mich elend. Mein Vater machte immer Pläne für mich, aber ich erfüllte nur wenige von ihnen. Der Seewind trocknete das Salz in meinem Haar, und die Hufe meines Pferdes bildeten das Echo zum Donnern der Brandung. Es war besser, an die Brandung zu denken als an meinen Vater. Sicher war es gut, die Begegnung schnell hinter sich zu bringen - so schnell wie möglich. Wenigstens, so dachte ich, während ich eine gute Seite an der ganzen Sache suchte, hat Agravain mich nicht gefragt, was ich am Llyn Gwalch zu suchen gehabt hatte.
Der Gedanke an meinen Bruder ließ mich erschreckt zurückschauen. Er war gut hundert Schritt hinter mir und kämpfte sich mit seinem Pferd über den holprigen Pfad. Er machte ein wütendes Gesicht. Es gab zwei Dinge, die ich besser konnte als er: reiten und Harfe spielen. Agravain vergaß das gern, und da er mir im Kampf unendlich weit überlegen war, versuchte ich auch immer, ihn nicht daran zu erinnern. Und jetzt hatte ich das doch getan. Ein schmerzliches Gefühl wallte in mir auf, denn ich wußte, später würde er unter einem Vorwand Streit mit mir suchen. Ich zügelte mein Pferd und ließ es traben.
Agravain kam an mir vorbei, ohne etwas zu sagen, und ritt, ebenfalls im Trab, vor mir her. Das war typisch Agravain. Er wollte der erste sein, und er war es auch fast immer. Der Erstgeborene, die erste Wahl zum Nachfolger meines Vaters als König, der erste unter den Knaben der Insel, die zu Kriegern ausgebildet wurden. Mein Vater war stolz auf ihn und konnte ihm nie lange böse bleiben. Ich starrte den Rücken meines Bruders an und wünschte mir, daß ich so sein könnte wie er.
Schweigend ritten wir nach Dun Fionn.
Die Festung ist aus sehr hellem Stein erbaut, von dem sie auch ihren Namen hat: »Weiße Festung«. Sie ist noch neu - sie wurde im Jahr von Agravains Geburt vollendet, drei Jahre vor meiner Geburt. Aber schon jetzt war sie so berühmt und mächtig wie die anderen, älteren Festungen, Temair oder Emhain Macha in Erin oder Camlann und Din Eidyn in Britannien. Sie steht auf dem höchsten Punkt der Klippe und schaut auf die See hinaus, und sie ist von einem Wall, einem Graben und ihren dicken, hohen Mauern umgeben. Zwei Tortürme, den Türmen alter römischer Festungen nachgebaut, flankieren das einzige nach Westen gewandte Tor. Die Burg hat mein Vater selbst entworfen, und die Macht und der Ruhm waren ihr durch unzählige Intrigen und Manöver, sowohl politischer als auch militärischer Natur, zuteil geworden. All diese Pläne waren unfehlbar erfolgreich gewesen. Meine Mutter war die Quelle der Intrigen, und mein Vater, König Lot Mac Cormac von den Innsi Erc, war derjenige gewesen, der die Pläne ausgeführt hatte. Er hatte sich damit zu einem der mächtigsten Könige in Britannien und Erin gemacht. Während Agravain und ich in den Torbogen einritten, fragte ich mich wieder nervös,
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