Der Falke des Lichts
besaß er Einfluß genug, jemand anderen zum Hohen König zu machen.
»Artus?« Lot zuckte die Achseln; er dachte noch immer an die Blutfehden. »Der wird niemanden unterstützen. Er wird weiterhin gegen die Sachsen kämpfen, mit dem königlichen Heer - oder soviel davon, wie er unterhalten kann.«
»Sei vorsichtig«, warnte Morgas scharf. »Artus ist gefährlich. Er ist der beste Feldherr in Britannien, und wenn man ihn provoziert, dann bleibt er nicht neutral.«
»Oh, hab keine Furcht.« Lot klang noch immer lässig. »Ich werde mich sehr vor deinem kostbaren Halbbruder in acht nehmen. Ich habe ihn befehlen sehen.«
»Ich auch.« Ihre Stimme war weich, aber Lot blieb stehen und begeg-nete sekundenlang ihrem Blick. Er schwieg und schaute meine Mutter an. Einen Augenblick schien es, als ob das Sonnenlicht verblaßte, als ob der Staub gefroren in der Luft hinge und sich hinter der Welt ein Abgrund öffnete. Ich zitterte. Ich kannte das dunkle Licht in Morgas’ Augen. Haß - die schwarze Flut, in der Uther versunken war, die seine Freunde zu Feinden gemacht hatte, die Aufruhr, Verfall und fremde Invasionen gebracht hatte, bis endlich - vielleicht - der Abgrund Uther verschlungen hatte. Und jetzt wandte sich Morgas’ Haß Artus zu. Ich fragte mich noch einmal, wie Uther wohl gestorben war.
Agravain rührte sich leise. Er hatte während des Gesprächs still dagestanden, und seine Augen glühten vor Aufregung. Er wußte, daß er mit seinem fünfzehnten Geburtstag, nächsten Monat, alt genug war, um auf den Kriegszug mitgenommen zu werden. Jetzt, in der Stille, brach es aus ihm heraus: »Komme ich mit?«
Mein Vater erinnerte sich wieder an uns, fuhr herum und grinste noch einmal. Er ging durchs Zimmer zu meinem Bruder hinüber und schlug ihm auf die Schulter. »Natürlich. Warum, glaubst du, habe ich dich gerufen? Wir ziehen nächsten Monat, im März. Ich gebe Diuran die Hälfte des Heeres und die Hilfstruppen von den Hebriden, und ich übertrage ihm die Verantwortung für dich. Paß gut auf, und er wird dir zeigen, wie man Truppen führt.«
Agravain überhörte den Hinweis auf zukünftige Feldherrenkünste und stürzte sich auf die Frage, die ihn in Aufregung versetzt hatte. »Darf ich in der Schlacht mitkämpfen?«
Lot grinste noch breiter, legte seine Hand auf Agravains Schulter. »So voller Eifer? Du sollst nicht kämpfen, bis ich sicher bin, daß du auch weißt, wie. Aber niemand lernt das Kriegshandwerk, indem er Speere auf Zielscheiben wirft. Du wirst eine Schlacht erleben.«
Agravain packte Lots Hand und küßte sie. Er flammte vor Freude. »Ich danke dir, Vater!«
Lot warf die Arme um seinen erstgeborenen Sohn, preßte ihn rauh, schüttelte ihn und lachte. »Gut so. Morgen wirst du deine Waffen emp-fangen, schon in der Frühe. Du und die anderen, die volljährig sind. Geh und sag Orlamh, er soll dich auf die Zeremonie vorbereiten.«
Agravain verließ das Zimmer und ging zu Orlamh, dem obersten Druiden meines Vaters. Er sprang fast bei jedem Schritt vor Freude. Ich drehte mich um und wollte ihm folgen, aber mein Vater sagte: »Gawain, warte!«
Es schien mir, als ob der Raum zu einer Falle zusammenschrumpfte. Ich drehte mich um und wartete.
Als Agravain gegangen war, ging Lot zum Lampentisch, nahm seinen Becher auf und goß etwas Wein hinein. Das Sonnenlicht traf die Flüssigkeit und ließ sie in einem tiefen Feuerrot erglänzen. Mein Vater setzte sich auf das Bett und starrte mich an. Er schätzte mich in Gedanken ab. Diesen Blick hatte ich schon oft genug gespürt, aber dennoch trat ich unruhig von einem Fuß auf den anderen und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Mein Vater seufzte.
»Nun?« fragte er.
»Was?« Ich schaute die Bettdecke an.
Die Stimme meines Vaters fuhr fort: »Dein Bruder ist sehr aufgeregt, und er ist ganz wild darauf, sich zu bewähren und Ehre für sich und für unseren Clan zu gewinnen. Was ist mit dir?«
»Ich bin nicht alt genug für den Kampf«, sagte ich nervös. »Ich habe noch immer mindestens zwei weitere Jahre im Haus der Knaben. Und jeder weiß, daß ich ein schlechter Krieger bin.« Ich schaute Lot schüchtern an.
Die Winkel seines Mundes zogen sich abwärts. »Ja, jeder weiß das.« Er trank ein wenig von dem Wein. Das Sonnenlicht fing sich auf seinem goldenen Halsreif und auf der Fibel, glitzerte auf seinem Haar und ließ ihn noch mehr wie Lugh den Sonnengott aussehen. Er schaute zu meiner Mutter hinüber. »Ich verstehe es nur nicht.«
Ich wurde zornig.
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