Der Fall Struensee

Boden.
    Zwei Fregatten mit der Königin an Bord segelten die Elbe hinauf bis nach Stade. Von dort ging es in Kutschen weiter in die Residenzstadt Celle. Dicht gedrängt standen die Bürger an den Straßen, als Mathilde Einzug hielt. Für die Leute war sie jung, hübsch und von romantischer Tragik umhüllt. Das kleine Schloss, in dem die vertriebene dänische Königin nun leben sollte, war nach Versailler Muster angelegt. Doch sie hatte kein Verlangen mehr nach höfischem Glanz. Die wenigen Jahre, die sie noch leben sollte, waren erfüllt von den Schatten der Vergangenheit und der Sehnsucht nach ihren Kindern, die sie niemals wiedersah. Es gab noch den kühnen Versuch eines jungen Engländers, Sir Nathanael Wraxhall, sie wieder auf den Thron und zurück zu ihren Kindern zu bringen, der aber scheiterte. Sie starb am 10. Mai 1775 mit 24 Jahren, ob an einem Giftanschlag oder einer Scharlachepidemie bleibt ungeklärt.
    Die Schicksale der Mitstreiter Struensees, die mit ihm verhaftet worden waren, verliefen glimpflich. Sie wurden nach kurzer Zeit entlassen, teils des Landes verwiesen. Lediglich Falckenskiold traf es hart. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Fünf Jahre verbrachte er in Festungshaft auf der Insel Munkholmen, dann wurde er ausgewiesen.
    Struense es Reformideen geisterten weiter durch die dänische Geschichte. Der kurze, aber heftige Versuch, eine bessere Welt zu schaffen, blieb nicht ohne Wirkung. Als Kronprinz Friedrich 1784 zunächst als Regent die Macht übernahm, stand unsichtbar sein Erzieher Struensee hinter ihm, der ihn nicht nur zur Selbstständigkeit erzogen hatte, sondern ihm auch das Vermächtnis seiner Reformpolitik hinterlassen hatte.
    In seiner fünfundfünfzig Jahre langen Regierung traten fast alle Reformen Struensees wieder ins Leben. Auftakt bildete die Befreiung der Bauern und die Einschränkung der Privilegien des Adels. Dann kamen die Gleichberechtigung der Juden und die Abschaffung der Sklaverei in den dänischen Kolonien. Es folgten Schulreform, Rechtsreform und Wirtschaftsreform. Als Friedrich VI. 1843 starb, war Dänemark der moderne Staat, den sich Struensee gewünscht hatte und die Monarchie ging nahezu bruchlos, ohne Revolution und Blutvergießen, in den Status einer konstitutionellen Monarchie über, in der sie heute noch besteht.
     
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    Johann Friedrich Struensee
     5. August 1737 in Halle an der Saale geboren, sein Vater war pietistischer Geistlicher, mit 14 Jahren Beginn des Medizinstudiums in Halle, 1756 Promotion  1757 Stadtphysikus in Altona: innovative Heilmethoden und Anstreben einer Gesundheitsreform  1768 Reisearzt des dänischen Königs, Christian VII.
     1769 Leibarzt und Vorleser des Königs, Staatsrat
     1770 Leibarzt der Königin und Erzieher des Prinzen Friedrich, Pockenschutzimpfung des dreijährigen Thronfolgers. Enevold Brandt und Graf Rantzau kehren an den Hof zurück. Struensee und die Königin werden ein Liebespaar.
     4. September 1770: Erste Erlasse, die auf Struensee zurückgehen, die Zensur wird aufgehoben, der Staatsrat umbesetzt und schließlich ganz abgeschafft. Verwaltungsreform nach preußischem Vorbild  1771 Abschaffung der Folter, Schulreform, Lockerung der Leibeigenschaft, Abschaffung des Sklavenhandels, sozialhygienische Reformen, Einrichtung einer staatlichen Lotterie, Neuordnung der Staatsfinanzen, Bekämpfung einer Hungersnot nach Missernte. Der König überträgt seine Machtbefugnisse weitgehend auf Struensee.
     April 1771 Auflösung der königlichen Garde sorgt für Unruhen.
     7. Juli 1771 Königin Caroline Mathilde gebiert eine Tochter, deren Vater vermutlich Struensee ist. Die Stimmung im Volk kehrt sich aufgrund von Verleumdungen gegen ihn, es kommt zum Aufruhr bei Matrosen und Soldaten. Eine Gruppe von Verschwörern bringt Struensee zu Fall. Der König unterschreibt unter Druck Haftbefehle für Brandt und Struensee, sie werden eingekerkert. In einem Scheinprozess werden beide des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt.
     28. April 1772 : Struensee und Brandt werden öffentlich enthauptet.