Der falsche Zeuge
Heldentaten in Liebesdingen zu berichten?«, frage ich.
»Ja, jetzt weiß ich wahrscheinlich alles über die so genannten ›Details‹.«
Ohne Make-up sieht sie noch kindlicher aus. Aber die blauen Augen sind geschwollen.
»Ich hatte schon im Sommer den Verdacht, dass bei ihm irgendwas nicht stimmt, aber ich habe geglaubt, es hätte mit seiner Arbeit zu tun, denn da geht es wegen dieser Privatisierung oft rund. Aber mir wäre ja im Traum nicht eingefallen, dass er mich bereits da schon monatelang mit einem kleinen Mädchen wie Maria betrogen hat.«
»Hat dich das wirklich überrascht?«
»Ja, ich habe überhaupt nicht erwartet, dass er sich so verhalten würde.« Sie blickt mir direkt in die Augen und fragt: »Hast du damals auch diese Seite von ihm kennen gelernt?«
Ich zucke die Achseln.
Die blauen Augen starren mich an: »Du warst doch mal mit ihm zusammen, oder?«
»Einen Sommer lang. Aber das ist schon sehr lange her.«
»Ich hatte das im Gefühl. Erzählst du mir, was passiert ist?«
Natürlich nicht.
Ich will nicht zurückdenken. Nicht heute Nacht. Und ich habe nicht das geringste Interesse daran, Drífa zu erzählen, wie Siggi Palli vor ewig langer Zeit mein Leben auf den Kopf gestellt hat.
»Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich ihn mit einem Kinnhaken verabschiedet«, antworte ich schließlich und zwinge ein seichtes Lächeln auf die Lippen.
Drífa lacht. »Wieso ist mir das nicht eingefallen?«, fragt sie mit leuchtenden Augen. »Er hätte es wirklich verdient, ein paar aufs Maul zu kriegen.«
Aber ihr Lächeln verschwindet wieder genauso schnell, als sie anfängt, mir genauer von den Bekenntnissen ihres Ehemannes zu berichten.
»Weißt du, dass sie es auf dem Rücksitz gemacht haben? Genauso wie wir, als wir anfingen, ein Paar zu sein. Ich finde das so unfair!«
Ich erlaube Drífa, sich abzureagieren.
»… und dass er sich erlaubt, mich so zu verletzen, nach alldem, was ich für ihn getan habe«, fügt sie zum Abschluss hinzu.
»Wie was zum Beispiel?«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass er sich aus eigenem Antrieb hochgearbeitet hat?«
Sie lacht höhnisch. »Ohne mich wäre er nichts, nur eine riesengroße Null«, fährt sie fort. »Ich habe ihn ständig in den Hintern getreten, zumal alles, was wir besitzen, mir zu verdanken ist, nicht ihm.«
»Alles?«
»Ja, seine Arbeitsstelle, unser Geld, ich habe alles organisiert, nicht er. Und das ist dann der Dank dafür, dass ich diesen Waschlappen zu Amt und Würden gebracht habe.«
Ich warte darauf, dass sie sich fertig austobt. Und nach Hause geht.
Aber Drífa ist nicht in Aufbruchsstimmung.
»Ich hoffe nur, dass er glaubt, ich ginge fremd«, sagt sie. »Ich will, dass er die ganze Nacht lang in der Ungewissheit zu Hause leidet, was ich mache.«
»Willst du dich dann nicht lieber hier hinlegen? Ich habe ein Gästezimmer.«
»Wenn ich darf?«
Ich mache schnell das Bett fertig. Wünsche ihr eine gute Nacht. Lege mich dann nackt unter meine weiche Decke im Schlafzimmer. Versuche mit allen meinen Kräften, das Karussell in meinem Gehirn anzuhalten. Die Gespenster von mir zu weisen, die meiner Seele schon den ganzen Tag und die ganze Nacht zugesetzt haben.
Und auch aufzuhören, an die kleine Ruta zu denken.
Und an Ludmilla.
Aber es scheint ein hoffnungsloser Kampf zu sein.
Kurze Zeit später steckt Drífa den Kopf durch die Tür.
»Ich fühle mich nicht wohl so alleine«, sagt sie. »Darf ich nicht bei dir kuscheln kommen?«
»Na, dann komm.«
Sie tastet sich zum Bett und schlüpft unter die Decke. Dreht sich dann auf die Seite. Legt den einen Arm über mich. Presst die nackten Brüste dicht an mich. Schließt die Augen und seufzt sehnsüchtig.
»Hmmm!«
Ich denke ja nicht daran, einen Leckerbissen zu verschmähen, der mir unerwartet in die Arme fällt. Das ist nicht mein Stil.
Wie war das noch mit dem geschenkten Gaul?
Ich drehe mich zu ihr hin. Streiche ihr das blonde Haar aus dem Gesicht. Streichele sie sanft über den Hals, die Wange, die heißen Lippen. Als sie die tiefblauen Augen erneut öffnet, streiche ich mit der Hand hinunter zu den Brüsten. Liebkose sie zärtlich, bis die Brustwarzen sich mir entgegenrecken.
Drífa schließt wieder die Augen, bevor sie den ersten Kuss erwidert. Und hält sie die ganze Zeit geschlossen, während die Lust sie völlig in ihrer Gewalt hat.
Mittendrin schiebt sich frech eine unerwartete Frage in den Vordergrund meines Bewusstseins: Wieso mache ich das eigentlich?
Nur, weil
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