Der falsche Zeuge
ja nie«, sagt er bedrückt.
Ich lade ihn in ein Café ein, um ihn aufzumuntern. Und um Gerüchte zu meinem neuesten Hobby aus ihm herauszufischen: Audólfur Hreinsson.
Máki erinnert mich manchmal an eine wandelnde Hungersnot. Seine Knochen sind viel auffälliger als seine Muskeln. Es scheint, als würde er ständig vergessen zu essen.
Sein hellbraunes Haar ist anständig gewachsen, seit wir das letzte Mal zusammen über Kaffee und Cognac gesessen haben. Aber er hat immer noch die gleiche alte Lederjacke an.
»Meine Jacke und ich, wir sind eins«, sagt er und schüttet sich in einem Zug die doppelte Ration des weichen französischen Feuerwassers in den Hals. »Wir sind schon mehr als zwanzig Jahre gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Sind wir damit nicht schon dreimal länger zusammen als die Dauer einer durchschnittlichen Ehe?«
Der Kellner kommt mit Cognac-Nachschub.
Und ich werde langsam neugierig auf die Geheimnisse von Audólfur und Hreinn.
»Was kann ich dir denn über diese Herren sagen, was du noch nicht weißt?«, sagt Máki wie zu sich selbst und schnuppert am Alkohol. »Hreinn hat lange Zeit das Familienimperium regiert, zumindest seit den frühen achtziger Jahren, als sein Vater als Geschäftsführer der Firmen abgetreten ist. In den letzten Jahren hat Hreinn wiederum die Leitung des täglichen Betriebs an den Jungen übergeben und nutzt die Zeit hauptsächlich, um hier zu Hause und im Ausland Golf zu spielen.«
»Was weißt du denn über den ›Jungen‹, wie du ihn nennst?«
»Audólfur junior ist ein typisches Papasöhnchen in der isländischen Wirtschaftswelt«, antwortet Máki. »Es amüsiert ihn, mit Geld, das andere verdient haben, auf Risiko zu spielen. Er hat an ausländischen Wirtschaftsuniversitäten gelernt, großspurig aufzutreten, und ist mit Trara ins Familienunternehmen zurückgekehrt.«
»Was für Trara?«
»Expansionen in alle Richtungen, er hat neue Firmen gekauft oder gegründet, und dieser Wahnsinn wurde sowohl mit Aktiengeschäften als auch mit in- und ausländischen Krediten finanziert. Und als der Markt kollabiert ist, kamen sie mit ihrem Spielplatz in ernste Schwierigkeiten.«
»Da kann ich ein Lied von singen.«
»Ja, ich bin sicher, dass es selbst dir nicht gelingen würde, bei ihnen zu pfänden. Manche wagen sogar die Prognose, dass Audólfur es schafft, das ganze Familienimperium in den Bankrott zu treiben, beziehungsweise den Teil, den Hreinn noch nicht vor dem Zugriff anderer in Sicherheit bringen konnte.«
»Wie läuft das Miteinander mit ihrem Bruder und Onkel Porno-Valdi?«
»Hreinn ist ein Snob von Gottes Gnaden und würde sich nie öffentlich mit Sigvaldi im Eldóradó in Verbindung bringen lassen«, antwortet Máki und lacht. »Audólfur allerdings ist seinem Onkel in gewisser Weise ähnlich. Diese ekelhafte Mischung von Grausamkeit und Gier haben sie beide.« Máki dreht das Cognacglas zwischen seinen Händen. »Und dann sind sie auch noch zusammen in Geschäfte verwickelt, Valdi und der Junge«, fügt er hinzu.
»Meinst du, dass Audólfur Hreinsson einen Anteil an den Nackttanzbars besitzt?«
»Davon weiß ich nichts, aber ihm gehört der Sicherheitsdienst, von dem Sigvaldis Türsteher ihre Lohntüte bekommen. Außerdem treibt er für Sigvaldi die Schulden wegen der Stripbars ein. Sie spannen sogar Männer wie den irren Ingi ein, um Kunden tätlich anzugreifen, die nicht bezahlen wollen oder können.«
»Ein Sicherheitsdienst? Meinst du die Reykjaviker Eigentumsüberwachung?«
»Genau. Ja, und dann ist Audólfur natürlich Stammkunde in den Hinterzimmern.«
»Was für Hinterzimmer?«
»Sigvaldi hat gemütliche Séparées für diejenigen, die nicht wollen, dass sie vom Pöbel im Eldóradó mit den ausländischen Mädchen gesehen werden.«
»Hast du Audólfur dort schon mal getroffen?«, frage ich grinsend.
»Ich bin nicht reich genug, um eingelassen zu werden«, antwortet Máki deprimiert. »Aber mir ist bekannt, dass Audólfur junior jede neue Sendung probieren darf, die Sigvaldi nach Island kommen lässt.«
»Hmmm, lecker.«
Nach einer kurzen Stille frage ich weiter: »Was kannst du mir über den dazugehörigen Opa erzählen?«
»Audólfur Kormáksson?« Máki zuckt die Achseln. »Nur, dass er steinalt ist. Er wohnt in einem dieser neuen Häuser für alte Millionäre, die von ihren Kindern aufs Abstellgleis geschickt werden. Ich glaube, der Senior muss schon fast hundert sein.«
»Wie ist seine politische Vergangenheit?«
»Diese
Weitere Kostenlose Bücher