Der falsche Zeuge
Bar in der Innenstadt. Gibt sein Bestes, um zwei Blondinen abzufüllen, die er irgendwo auf seinem nächtlichen Spaziergang aufgegabelt hat. Und fährt abwechselnd mal der einen, mal der anderen mit geübten Fingern über ihre Kurven.
Er spendiert mir ein Glas, sobald er mich gesehen hat.
»Gibt’s einen Anlass?«, frage ich und probiere das amerikanische Feuerwasser.
»Ich hab mehr als zwei Mille auf einer Versteigerung gescheffelt.«
»Gut gemacht!«
Ingi ist nicht nur dabei, gepfändete Autos von Schuldnern, die nicht zahlen können, einzukassieren, sondern er verfolgt auch die Versteigerungen. Dort kauft er gute Wagen zum Spottpreis. Aber nur, wenn er sicher ist, dass er sie mit wirklich außerordentlichem Gewinn weiterverkaufen kann.
Er hat seine linke Hand hoch zwischen die Oberschenkel der einen Blondine geschoben. Und grinst genießerisch.
Er erinnert mich an ein Raubtier, das über seine köstliche Beute wacht. Sexy Salonlöwe, der beißt. Aber er ist nicht mein Typ. Nicht auf dem Gebiet jedenfalls. Meinetwegen können sie ihn haben.
Ich erlaube nur Jackie allein, mich zu verwöhnen.
Also ziehe ich weiter durch Bars und setze meine Suche nach brauchbarer Gesellschaft fort. Einem verlockenden Kerl. Oder einer Biene. Einem nächtlichen Einwegspaß, den ich sofort am nächsten Morgen vergessen kann.
Ohne Erfolg. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht in der richtigen Stimmung, um mich heute Nacht in unbekannte Tiefen zu begeben und das leichte Leben zu genießen, wie ich es normalerweise am Wochenende mache.
Denn es gibt so verdammt viel, was mein Gehirn beim Abschalten stört. Vor allen Dingen die kleine Ruta.
Schließlich gebe ich diese hoffnungslose Jagd durch die nächtliche Stadt auf. Am besten mache ich mich auf den Weg nach Hause.
Ich trinke auf ex. Drehe mich von der Bar weg. Und Drífa landet direkt in meinen Armen. Ihr Getränk schwappt über uns beide, bevor das Glas mit lautem Klirren auf dem Boden zerspringt.
»Entschuldige«, murmelt sie undeutlich und beginnt, die Flüssigkeit von mir abzustreichen.
Ich halte sie am Arm fest. Gehe mit ihr auf die Toilette, die sich im Keller befindet, und versuche, das meiste aus unserer Kleidung zu entfernen.
Drífa ist sturzbesoffen.
»Ist Siggi Palli mit dir da?«, frage ich kurz angebunden.
Sie schüttelt den blonden Kopf.
»Ich wollte gerade gehen«, füge ich hinzu. »Soll ich dich zu Hause absetzen?«
Sie protestiert erst, als wir schon mit dem Taxi auf dem Weg sind.
»Ich will noch nicht nach Hause fahren«, sagt sie.
»Du musst deinen Rausch ausschlafen.«
»Ich will aber nicht«, wiederholt sie und richtet sich auf dem Rücksitz auf. »Halt bitte sofort das Taxi an.«
»Ach komm schon«, sage ich.
Der Taxifahrer wirft uns einen fragenden Blick zu. Im Rückspiegel.
»Ich will jetzt noch nicht nach Hause fahren«, sagt Drífa noch einmal mit jener betrunkenen Starrhalsigkeit, in der man gegen jegliche Argumente immun ist.
»Alles klar, dann fahren wir erst mal zu mir nach Hause. Bist du damit einverstanden?«
»Okay.« Sie sinkt wieder in den Sitz, lehnt ihr Gesicht gegen meine Schulter und schließt die Augen.
Drífa ist schon fast eingeschlafen, als das Taxi das rote Reihenhaus mit den weißen Fensterrahmen erreicht.
Ich setze sie an den Küchentisch. Koche einen starken Espresso, um sie wieder auf Vordermann zu bringen. Damit sie mir nicht hier bei mir zu Hause einschläft.
Plötzlich bemerke ich, dass sie unter ihrem Make-up kreideweiß geworden ist.
Verdammt!
Ich reiße sie von ihrem Stuhl und schleife sie ins Bad. Kann gerade noch die Klobrille hochklappen, als ihr die erste Ration hochkommt. Sie kotzt alles aus sich heraus. Würgt mit aller Kraft.
Zwischen den Würgekrämpfen wische ich ihr den Mund ab. Trockne ihr den Schweiß von der Stirn. Warte ungeduldig darauf, dass sie fertig wird.
»Entschuldige«, sagt sie dumpf.
Anschließend weise ich Drífa an, sich zu waschen und den Mund auszuspülen. Scheuche sie dann wieder in die Küche. Dränge sie so lange, bis sie eine ganze Tasse schwarzen Kaffees intus hat.
»Mann, geht’s mir beschissen«, sagt sie.
»Das wird schon wieder«, antworte ich und schiebe ihr wieder die Kaffeetasse zu.
»Nein, ich vertrage nicht mehr.«
»Soll ich dann jetzt ein Taxi für dich rufen?«
»Ich habe keine Lust, jetzt schon nach Hause zu fahren. Ich will erst morgen dort wieder auftauchen«, antwortet sie stur.
»Hat sich Siggi Palli also endlich getraut, dir von seinen neuen
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