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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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anvertraut?«
    »Er ist ein alter Freund.«
    »Und trotzdem hat er das Mädchen alleine zurückgelassen?«
    »Ja, weißt du, es ist etwas Unvorhergesehenes passiert. Sergei hat mich angerufen, als ich selber war im Ausland, und hat mir gesagt, dass er ein paar Tage wegmuss. Ich habe auch mit Ruta gesprochen, und sie hat gesagt, dass sie kann selber auf sich aufpassen, bis ich wieder zurück bin.«
    »Aber warum hat sie nicht in deiner Wohnung gewohnt?«
    Ludmilla betrachtet mich. Die dunklen Augen füllen sich wieder mit Misstrauen.
    »Ich war im Ausland«, antwortet sie schließlich. »Außerdem hat Sergei viel Platz. Bei mir übernachten noch andere.«
    »Konntest du nicht ein Zimmer für sie frei machen?«
    »Ich bin dabei, ein anderes Wohnung nur für uns beide zu suchen. Aber das läuft nicht so gut, Markt ist ziemlich schlecht.«
    Ich lasse Jackie meine Zunge umspielen, während ich mir den nächsten Schritt überlege. Entschließe mich dann, direkt zur Sache zu kommen.
    »Hat Ruta schon angefangen, mit Jungen zu schlafen?«
    »Natürlich nicht«, antwortet Ludmilla. »Sie ist doch erst dreizehn Jahre alt!«
    »Bist du sicher?«
    Sie erbleicht unter dem Make-up. »Warum fragst du das?«
    Ich berichte ihr in wenigen Worten, was die Untersuchung der Spezialisten von der Notaufnahme für Vergewaltigungsopfer ergeben hat.
    Ludmilla starrt mich aus tiefschwarzen Augen an. Als würde ich sie anlügen.
    »Das kann nicht wahr sein!«, sagt sie.
    »Warum sollte ich so was behaupten?«
    Sie greift nach dem Cognacglas auf dem Sofatisch und leert es in einem Zug.
    »Alles weist natürlich zuallererst auf diesen Sergei hin.«
    »Nein, nein, das ist ausgeschlossen«, antwortet sie umgehend.
    Ich schenke ihr aus der Cognacflasche in ihr Glas nach.
    »Wer dann, wenn nicht er?«
    Ludmilla antwortet mir nicht sofort. Sie ist völlig in ihre eigenen Gedanken versunken.
    »Nein, das kann ihr nicht angetan sein«, sagt sie schließlich.
    »Tut mir Leid.«
    »Aber Ruta ist nur ein unschuldiges Kind!«
    »Es behauptet ja auch niemand, dass sie zugestimmt hat«, antworte ich. »Ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass sie vergewaltigt worden ist. Ansonsten hätte sie nachher nicht auf so schreckliche Art reagiert.«
    Ein strenger Zug huscht über Ludmillas Gesicht. »Willst du andeuten, dass die Polizei Sergei verdächtigt, das gemacht zu haben?«
    Ich nicke.
    »Sie wollen ihn festnehmen?«
    »Zuerst werden sie ihn zu einem Verhör abholen, denke ich. Dann überprüfen sie, ob das Sperma, das gefunden wurde, von ihm ist.«
    »Nein, weißt du, das kann nicht wahr sein.«
    »Hatte denn jemand anders Zugang zur Wohnung? Jemand, dem solch eine Gewalttat zuzutrauen wäre?«
    Ludmilla steht schnell auf. »Ich muss gehen.«
    In der Tür dreht sie sich noch mal um. Ein wildes Glühen ist’ in ihren schwarzen Augen. »Weißt du, ich habe meine kleine Schwester nach Island geholt, habe sie aus dieser Misere zu Hause gerettet, wollte ihr Möglichkeiten bieten, du weißt schon, ihr ein gutes Leben im schönen Land bieten, aber dann kommt sie in die – wie sagt man? – in die Traufe?«
    »Vom Regen in die Traufe geraten.«
    »Ja, genau so, vom Regen in die Traufe.«
    »Melde dich auf jeden Fall bei mir«, sage ich, »wenn du Hilfe brauchst.«
    Sie setzt sich ohne ein weiteres Wort ins Taxi, das auch sofort losfährt. Richtung Innenstadt des gelobten Landes.
    »Das Glück hat keine Zeit, ständig nur an der nächsten Ecke herumzuhängen.«
    Sagt Mama.

10
    In der Nacht zum Sonntag
     
    Ich komme nirgendwo so richtig in Partylaune, obwohl die Innenstadt in dieser Nacht voller Leben ist.
    Unter den blinkenden Lichtern der Werbeschriftzüge ziehen die Leute – in ansonsten mehr oder weniger verzweifelter Suche nach irgendeiner Art Befriedigung – von einem Vergnügungsetablissement zum nächsten. Suchen nach dem Glück in Kneipen und Cafés, Bars oder Stripklubs.
    Laute Musik hallt hinaus zu den Menschenmengen auf den Straßen rings um den Ingólfstorg, die Austurstraeti entlang und den Laugavegur hoch, wo sich die Lichter der Straßenlaternen in dem feuchten Asphalt spiegeln.
    Ich entdecke bekannte Gesichter in der Menge. Sowohl in den Lokalen als auch draußen auf dem Bürgersteig.
    Mit einigen habe ich überhaupt keine Lust zu sprechen. Lasse sie vorbeiziehen wie dunkelgraue Wolken am Himmel. Andere kann man gut als unbedeutende Abwechslung im Einerlei der Langeweile benutzen.
    Der irre Ingi ist einer davon.
    Er feiert in einer englischen

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