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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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ihrem Großvater, der früher viel für eine Ideologie geopfert hat. Aber dass die beiden Gewalttäter sind, ist völlig abwegig, auch Ófeigur. Jedem kann ein Unfall passieren.«
    »Wenn dein Sohn schon in Untersuchungshaft ist, wird ihm auch ein Pflichtverteidiger zugeteilt worden sein, der mit Sicherheit alles, was möglich ist, für ihn tut.«
    »Dieser junge Mann gefällt mir nicht. Ich habe ihn nur ganz kurz getroffen, und da war er vor allen Dingen daran interessiert, nicht zu spät zu einem Fußballtraining zu kommen. Mir kam es so vor, als sei mein Ófeigur ihm völlig egal.«
    »Er tut bestimmt sein Bestes.«
    »Ich habe das Gefühl, dass alle meinem Jungen gegenüber versagt haben, nicht zuletzt auch ich«, sagt Herdís. »Er hat nie die gleichen Möglichkeiten gehabt wie Alexander, der in der Schule gut war und Freunde hatte. Ófeigur konnte nie zeigen, was in ihm steckte, weder in der Schule noch anderswo.«
    »Ja und?«
    »Junge Männer, die eine derartige Ausgrenzung aus der Gesellschaft erleben, entwickeln eine Wut auf alle und alles«, fährt sie fort, »und sind deshalb eine leichte Beute für skrupellose Agitatoren, die sie zu allen möglichen Taten aufhetzen, aber immer darauf Acht geben, dass sie selber schadlos bleiben. Wie dieser Audólfur, ich habe im Fernsehen nie etwas über ihn gehört.«
    Der Name weckt sofort mein Interesse. »Von welchem Audólfur sprichst du?«
    »Von diesem Anführer des Vereins, in den Ófeigur sich leider hat hineinziehen lassen. Er heißt Audólfur und hat die ganze Sache zusammen mit seinem Großvater, dem alten Nazi, organisiert.«
    Ich starre Herdís an. »Meinst du etwa Audólfur Hreinsson?«, frage ich. »Den Finanzmann?«
    »Ja, genau den.«
    »Warum glaubst du, dass er hinter dem Aufruhr im Parlament steht?«
    »Weil Ófeigur seine Begeisterung für seinen neuen Anführer vor mir nicht verheimlichen konnte, als er in diesen Geheimbund aufgenommen wurde.«
    »Was für ein Geheimbund?«
    »Ich weiß nur, dass die Abkürzung des Namens SSÍ lautet. Ich habe sie auf einem kleinen Anstecker gesehen, den er nach der Aufnahme in den Bund bekam. Es fand wohl auch ein besonderes Weiheritual im Sommerhaus der Audólfsfamilie statt.«
    »Hast du den Pflichtverteidiger auch darauf hingewiesen?«
    »Er hatte keine Zeit, mir zuzuhören.«
    »Dann sagt Ófeigur es ihm bestimmt selber.«
    »Nein, ich rechne nicht damit, dass Ófeigur der Polizei überhaupt irgendetwas von dem Bund oder dem Anführer erzählt«, antwortet Herdís. »Er würde es als Verrat gegenüber seinen Kollegen ansehen.«
    »Welche Kollegen?«
    »Ófeigur bekam vor etwas mehr als einem halben Jahr Arbeit als Wachmann, und dort traf er diese Männer. Wenn ich ihn recht verstanden habe, sind viele von denen Mitglieder im Bund.«
    »Bei welcher Firma arbeitet er?«
    »Sie heißt Reykjaviker Eigentums-irgendwas.«
    »Doch nicht die Reykjaviker Eigentumsüberwachung GmbH?«
    »Doch, ich glaube schon.«
    »Aber was hat denn Audólfur Hreinsson mit der Firma zu tun?«
    »Gehört sie ihm nicht?«
    »Wirklich?«
    Ich ziehe die Computertastatur zu mir hin. Durchsuche das Handelsregister. Ganz richtig. Audólfur ist der Direktor der Reykjaviker Eigentumsüberwachung GmbH.
    Plötzlich wird mir klar, warum der schleimige Einar wegen dem Jeep angerufen hat.
    Verdammt noch mal!
    Hätte ich gewusst, dass der Cherokee-Jeep Audólfur Hreinsson gehört, hätte ich zwei Mille auf die Hand verlangt. Nicht eine.
    Herdís seufzt schwer. »Mein Ófeigur ist seinem Großvater auf viele Weise ähnlich, obwohl er eine völlig andere Weltanschauung vertritt, denn sie sind beide politischen Glaubensrichtungen verfallen. Da ist es doch für alle Beteiligten wesentlich einfacher, wenn jemand, wie Alexander, auf die gute alte Art bekehrt wird.«
    Ich betrachte sie eingehend.
    Wie viel weiß sie über diesen nationalistischen Geheimbund? Was hat Ófeigur ihr erzählt?
    Wenn ich seinen Fall annehmen würde, bekäme ich das wahrscheinlich alles zu hören.
    Es geht mir völlig gegen den Strich, mich in Ófeigs Fall einzumischen. Aber ich habe großes Interesse an seiner Verbindung zu Audólfur Hreinsson.
    Reichtum und Extremismus. Eine Mischung, die neugierig macht. Und gefährlich ist.
    Aber ist meine Antipathie gegenüber Audólfur Grund genug, dass ich anfange, für einen Nazischläger zu arbeiten, der bereits einen Verteidiger hat?
    Herdís begegnet meinem Blick. Trauer und Müdigkeit sprechen aus ihren braunen Augen. Aber da ist noch

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