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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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beruhigt.
    Sie sah sich vorsichtig um.
    Jemand saß neben ihr am Bett.
    Das Gesicht verschwamm, dann wurde es wieder scharf, verschwamm erneut.
    »Wo bin ich?«, fragte sie.
    Der Mann auf dem Stuhl lächelte.
    Er streckte die Hand nach ihr aus und berührte sie an der Stirn.
    Sie rang nach Luft.
    »Ruhig, ganz ruhig, Jana«, sagte er und nahm die Hand zurück.
    Wieder drehte sich der Raum um sie herum.

    Es war ein Raum mit hohen Decken. Und es war kalt darin.
    Sie fröstelte.
    Sie kannte den Mann. Das verwirrte sie.
    »Du bist ganz aufgewühlt, Jana. Was war denn nur los?«
    Sie bewegte ihre Hände, dann ihre Füße. Da war kein Widerstand mehr, kein klirrendes Metall. Aber sie fühlte sich schwach, unendlich schwach, und in ihrem Kopf war Leere.
    »Wo bin ich?«, fragte sie wieder.
    Der Mann lächelte.
    »Bei mir«, sagte er.
    Er hatte die Hände in seinem Schoß gefaltet. Sie suchte in seinem Gesicht.
    »Gerd«, sagte sie leise.
    Gerd Brotter lächelte.
    »Arme Jana. Ich musste dir ein Beruhigungsmittel geben. «
    Da flackerten die Bilder vor ihrem inneren Auge auf, sie sah das Blut und den kahlen Kopf.
    Sie sah die leeren Augenhöhlen wieder vor sich.
    Ihr Puls raste.
    »Der Vogel«, stieß sie hervor.
    Brotter hob die Augenbrauen.
    »Welcher Vogel?«
    Ihr Nacken verkrampfte sich. Sie wollte den Kopf heben, sich aufrichten, aber sie war zu schwach.
    »Jana, du hast geträumt. Du hattest schreckliche Alpträume. «
    Vorsichtig führte sie ihre Hand zu ihrem Gesicht. Sie ertastete
die Striemen auf ihren Wangen und ihre geschwollene Lippe. Das Blut pochte darin. Nein, sie hatte nicht geträumt.
    Wieder versuchte sie sich aufzurichten.
    Brotter berührte sie am Arm.
    »Bleib noch liegen. Ruh dich aus.«
    Seine Stimme war sanft und fordernd zugleich.
    Sie spürte, wie ihr die Panik die Kehle zuschnürte.
    »Ich muss Trojan anrufen«, stammelte sie.
    Wenn sie nur mehr Kraft in ihren Gliedern hätte.
    »Trojan?«, fragte Brotter. »Du meinst doch nicht etwa diesen Polizisten?« Er senkte die Stimme. »Er ist dein Patient, Jana, vergiss das nicht.«
    Sie wimmerte leise in sich hinein.
    Er beugte sich vor. Sie spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht, es war ihr unangenehm.
    »Was willst du denn von ihm? Was willst du von diesem Trojan, hmm?«
    Sein Gesicht senkte sich über sie herab.
    Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Wie war sie nur hierhergekommen? Wie konnte es sein, dass ihr Kollege plötzlich bei ihr war?
    Die Angst kroch an ihren Gliedern hoch.
    Und sie wusste: Dies alles war kein Alptraum, sondern Wirklichkeit.
    »Bedeutet er dir etwas? Was empfindest du für ihn?«
    Sie atmete schwer.
    »Vorsicht, Jana, mach nur keinen Fehler. Wir müssen doch Distanz zu unseren Patienten wahren.«
    Sie keuchte, bekam keinen Ton heraus.

    Weg, dachte sie, geh weg.
    Er lehnte sich zurück.
    »Soll ich ihn anrufen, ja? Soll ich ihm sagen, dass es dir wieder besser geht?«
    Ihre Augen irrten umher. Sie kannte diesen Raum mit den hohen Decken nicht.
    Wo war sie bloß? Und wo kam Brotter plötzlich her?
    Sie wollte aufstehen. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, doch dann erkannte sie die Spritze in seiner Hand.
    »Du bist noch immer zu aufgeregt, Jana. Du kannst ja keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
    Sie sah, wie aus der Spritze etwas von der farblosen Flüssigkeit hervorschoss, und schon nahm er ihren Arm.
    »Das wird dir helfen, Jana.«
    »Nein«, stieß sie hervor und warf den Kopf herum.
    »Aber Jana«, seine Finger krallten sich in ihre Haut, »sei doch vernünftig.«
    Sie wehrte sich eine Zeit lang, doch schließlich hatte er sich weit über sie gebeugt und jagte ihr die Spritze in den Hals.
    »Nicht, bitte nicht«, wimmerte sie.
    Kurz darauf trübte sich ihr Blickfeld ein.
    Aber sie fiel nicht in Ohnmacht. Sie hörte, wie er weiter auf sie einsprach.
    »Ich will dir doch bloß helfen, Jana. Du bist zu mir gekommen, du warst völlig durcheinander. Was ist nur passiert? «
    Von neuem zuckten die Bilder von Franka vor ihr auf, der kahle Kopf, die leeren Augenhöhlen.
    Sie lallte, als sie den Namen aussprach.

    Brotter neigte den Kopf.
    »Franka Wiese?«, fragte er. »Wer ist das?«
    Jana versuchte zu antworten. Ihre Zunge war schwer.
    »Eine Patientin von mir«, stammelte sie. Sie rang nach Atem. »Sie ist umgebracht worden. Ich hab es gesehen. Ich hab alles gesehen.«
    Brotter stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte sein Kinn auf die gefalteten Hände.
    Er sprach so ruhig zu ihr, als wäre sie eine Patientin

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