Der Federmann
von ihm.
»Was hast du gesehen, Jana?«
Ihr Herzschlag stolperte.
»Ihren Mörder«, wisperte sie.
Brotter verzog keine Miene.
»Wie sah er aus?«
»Er trug eine Vogelmaske. Und da war ein Messer. Es war sein Schnabel.«
Tränen liefen über ihr Gesicht.
Brotter lächelte.
»Eine Maske?«, sagte er. »Ein Schnabel? Wie grotesk.«
»Ich muss Trojan anrufen.«
»Aber Jana, du bist ja völlig fixiert auf diesen Polizisten.«
»Lass mich gehen«, wimmerte sie, »bitte.«
Er breitete seufzend die Arme aus.
»Dann geh«, sagte er. »Wenn du dir nicht helfen lassen willst, bitte: steh auf.«
Jana versuchte sich zu konzentrieren. Erst das eine Bein über die Bettkante schwingen, dann das andere. Und sich gleichzeitig dabei auf die Seite drehen. Ihr rechter Arm fühlte sich taub an. Sie konnte ihn nicht bewegen.
Sie sah auf den Boden. Er begann vor ihr zu schwanken.
Ihr war, als müsste sie aus dem Bett stürzen.
Dann entdeckte sie die Blutspritzer auf ihrer Kleidung. Entsetzt sank sie zurück.
Plötzlich war sein Gesicht wieder nah bei ihr.
»Ach, Jana, erkennst du mich denn nicht?«
Sie suchte verzweifelt in seinen Augen.
»Wie viele Jahre arbeiten wir nun schon Tür an Tür?«, fragte er.
Ihr Lippen bewegten sich. Nur unter Mühe gelang es ihr zu sprechen.
»Zwei Jahre«, flüsterte sie.
»Zweieinhalb«, sagte er bestimmt.
Er verschränkte die Arme vor der Brust, sein Gesicht verfinsterte sich.
»Warum warst du nur immer so abweisend zu mir, Jana?«
Für einen Moment glaubte sie, wieder in Ohnmacht zu fallen.
Vielleicht wäre das eine Erlösung.
Wenn sie fiel.
Wenn sie wegglitt, weit weg von hier.
Doch als sie die Augen wieder öffnete, saß er noch immer dort am Bett.
Und dann hörte sie das flappende Geräusch.
Er hielt etwas unter seinem Jackett versteckt.
Etwas zappelte unter dem Stoff.
Er lächelte.
Dann öffnete er einen Knopf und glitt mit der Hand unter das Revers.
Er zog die Hand wieder hervor, und sie sah den kleinen Vogel darin.
Genüsslich drückte er zu.
Sie vernahm das schmatzende Geräusch, als er den Vogel vor ihren Augen zerquetschte.
Blut rann über die Hand des Therapeuten.
Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse verzogen, seine Zähne blitzten auf.
Schließlich öffnete er die Hand und zupfte dem Vogel die Federn ab.
Er ließ sie einzeln auf das Bett herabsegeln.
»Jana«, sagte er leise, »erkennst du nun mein wahres Gesicht? «
DREISSIG
A ls Trojan von der Langenscheidtstraße in die Crellestraße einbog, war das SEK bereits vor Ort.
Er fuhr quer auf den Bordstein, stürzte aus dem Wagen und rannte ins Treppenhaus. In der dritten Etage über der Praxis kniete ein Beamter mit Helm und Schutzweste vor der Tür und bohrte das Schloss auf.
Der Bohrer summte kaum hörbar.
Landsberg, Gerber und Kolpert hatten sich hinter den Männern mit den Maschinenpistolen postiert, sie nickten Trojan kurz zu.
Er hielt den Atem an.
Es war still im Treppenhaus.
Totenstill, dachte Trojan.
Der Behelmte streckte drei Finger aus.
Noch drei Sekunden.
Trojan berührte seine Waffe im Holster.
Der nächste Finger klappte ein.
Noch zwei Sekunden.
Sein Herz hämmerte.
Als der dritte Finger verschwand, zog Trojan seine Waffe heraus. Zugriff!
Schon war die Tür aufgebrochen, und die Männer mit den Maschinenpistolen stürmten die Wohnung.
Er hörte ihre Schritte, das Knallen der Zimmertüren.
Er lud seine Waffe durch und folgte ihnen.
Landsberg war dicht hinter ihm.
Lichter zuckten auf, es waren die Stableuchten an den Maschinenpistolen.
Trojan straffte die Schultern.
Schließlich trat der Einsatzleiter auf ihn zu.
Trojan versuchte, in seinem Gesicht hinter dem Visier zu lesen. Es erschien ihm wie ein schreckliches Déjà-vu.
Er hörte sich selbst fragen, ob sie zu spät gekommen seien.
Der Mann in der Schutzweste klappte sein Visier hoch.
»Nichts«, murmelte er.
»Zielperson?«, fragte Trojan. Seine Stimme kippte.
Der andere antwortete mit einem Kopfschütteln.
»Und die Frau?«
»Hier ist niemand.«
Die Spannung unter den Männern vom SEK ließ nach. Die ersten verließen die Wohnung.
Trojan sah zu Landsberg hin.
Sein Gesicht war aschfahl.
»Durchsuchen«, murmelte Landsberg.
Es war eine Zweizimmerwohnung. Alles machte einen äußerst gediegenen Eindruck, weicher Teppichboden, dunkle Möbel. Das Bücherregal reichte bis zur Decke hinauf. Trojan schaute zum Schreibtisch hin. Ein Stapel unbeschrifteter Papiere, ein Füllfederhalter in einem Set,
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