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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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einfach einen Vorschlag unterbreiten: »Herr Leber, mir kommt da gerade eine Idee, wie Sie lernen könnten, mit Ihren Phantasien besser umzugehen.«
    »Ja?«

    »Lassen Sie doch einfach Zweitschlüssel von den Wohnungen anfertigen.«
    »Nein, das darf ich nicht. Das ist unter Strafe verboten.«
    »Aber es ist zu einem guten Zweck. Wir bewahren die Schlüssel hier in der Praxis auf. Sie haben die Wahl, Sie können sie anrühren, aber Sie können sie auch liegen lassen. Jeder Schlüssel ist eine Frau, jede Frau ist eine Verlockung. Sie haben die Kontrolle darüber.«
    Brotter grinste. Er hatte ein besonderes Kästchen dafür ausgewählt.
    Leber war folgsam. Er tat die Schlüssel in das Kästchen und verriet ihm die dazugehörigen Namen und Adressen.
    Brotter brauchte nur einen Schlüssel aus dem Kasten heraus zu nehmen und seinen Patienten zu fragen: »Sagen Sie mir, wie sieht sie aus?«
    »Dunkelhaarig.«
    Uninteressant.
    Er nahm den nächsten Schlüssel aus dem Kästchen hervor.
    »Und diese?«
    »Blond.«
    »Wie blond?«
    »Dichtes blondes Haar.«
    »Wo wohnt Sie, Herr Leber?«
    »Wrangelstraße 12.«
    »Wie heißt sie?«
    »Coralie Schendel.«
    »Und diese?«
    »Melanie Halldörfer. Hat eine niedliche kleine Tochter.«
    Hmm, wie süß.

    »Sie haben es in der Hand, Herr Leber. Wollen wir die Schlüssel schnell wieder ins Kästchen zurück tun?«
    »Ja, bitte.«
    So ging das Spielchen immer weiter.
    Bis die Zeit reif war, ihm einen weiteren Vorschlag zu unterbreiten.
    »Wissen Sie, Herr Leber, ich glaube, Sie sind schon so weit. Sie können sich selbst erlösen. Trennen Sie sich von den Schlüsseln, befreien Sie sich von Ihren Phantasien. Wir treffen uns auf einer Brücke, und Sie werfen die Schlüssel in die Spree. Ein symbolischer Akt, verstehen Sie, Herr Leber? «
    Und Leber war einverstanden. Er vertraute seinem Psychologen, schließlich war er dafür da, ihm zu helfen.
    Brotter knüpfte lächelnd ein weiteres Haar in den Mantel.
    Sein Patient war pünktlich auf die Minute auf der Fußgängerbrücke nach Stralau eingetroffen, wo sie sich für den späteren Abend verabredet hatten.
    Leber hatte ihm in der letzten Sitzung gesagt, er würde direkt von einem Kunden zu dem Treffpunkt kommen. So konnte Brotter davon ausgehen, dass er seinen Laptop und seinen Terminkalender dabeihätte, immerhin war es ja möglich, dass irgendetwas darin über seinen Therapeuten vermerkt war.
    »Warten Sie, Herr Leber, ich nehme Ihnen die Tasche ab, dann können Sie besser werfen.«
    Leber gab ihm die Umhängetasche mit seinem Laptop, und Brotter überreichte ihm die Schlüssel.
    Leber holte aus.

    Es waren ganz andere Schlüssel, aber das wusste er ja nicht. Schließlich war es nur ein symbolischer Akt.
    Das Symbol seiner Befreiung.
    Die Brüstung war niedrig.
    Brotter brauchte ihm nur einen leichten Schubs zu geben.
    Unten war der Stahlträger, da würde er aufschlagen, das hatte er genau berechnet.
    Und dann würde er in der Spree ertrinken.
    »Auf Nimmerwiedersehen, Herr Leber.«
    Brotter fädelte lächelnd das nächste blonde Haar in den Mantel ein.
    »Das Haar deiner Patientin«, sagte er laut.
    Franka Wiese, dachte er, ihre Jacke hing im Wartezimmer der Praxis. Sie sprach mit Jana über ihre Ängste, während er in die Tasche hineinlangte, den Wohnungsschlüssel hervorzog und einen Wachsabdruck von ihm nahm.
    »Arme ängstliche Franka«, sagte er.
    Und wie einfach, aber wirksam es war, bei dieser Gesine Bender etwas Wachs in die Öffnung für den Türschnapper zu drücken, als er sich bei ihr als Paketbote ausgab.
    »Arme kleine Michaela.«
    Er schaute zu der Frau in dem Sessel hin.
    »Hörst du mich, Jana?«
    Noch immer freute er sich über seine Idee, das winzige Mikrophon unter seiner Maske zu befestigen und den batteriebetriebenen Stimmenverzerrer unter der Kleidung zu tragen.
    Wie sehr sie sich doch vor ihm gefürchtet hatte, ohne ihn zu erkennen.

    Und sollte ihn dieser Kommissar finden, was ziemlich unwahrscheinlich war: Er hätte noch eine Überraschung für ihn. Nils Trojan, wie er sich vor laufender Kamera aufgeplustert hatte, dieser Geck.
    Brotter lachte auf.
    Er war doch immer einen Schritt schneller gewesen als dieser dämliche Kommissar. Und welche Lust es ihm verschafft hatte, ihn sich am Tatort vorzustellen, sein Erbleichen vor den massakrierten, haarlosen Frauen.
    »Auch du wirst sterben, Trojan«, murmelte er.
    Janas Augenlider zuckten.
    Er freute sich auf den Abend.
    Er freute sich auf das, was er noch mit ihr

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