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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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andere Wohnungstür auf der Etage.
    »Eine Frau Reiter«, erwiderte Gerber, »es macht aber niemand auf.«
    Trojan drückte auf den Klingelknopf.
    »Hab ich auch schon ein paar Mal versucht«, murmelte Gerber.
    Es rührte sich nichts.
    Trojan stieß die Luft aus. »Aufbrechen?«
    Gerber zuckte mit den Achseln.
    Sie sahen sich an.
    »Lass mich raten, Nils, du vermutest, dass sie jung und blond ist?«
    Trojan nickte.
    In diesem Moment hörten sie aufgeregte Stimmen von unten, kurz darauf kam einer der Schutzpolizisten, die für die Absperrung zuständig waren, mit einer Frau die Treppe herauf.
    Trojan und Gerber versuchten, ihr den Blick auf den Toten zu versperren, doch zu spät, sie hatte ihn bereits
gesehen. Sie wurde bleich und taumelte zwei Stufen zurück.
    »Zu wem wollen Sie?«, fragte Trojan.
    »Ich – ich wohne hier«, stammelte sie.
    »Michaela Reiter«, sagte der Polizist. »Personalien sind überprüft.«
    Trojan blickte auf das Namensschild an der Tür, dann betrachtete er das dichte blonde Haar der Frau und trat zur Seite.
    Zittrig kramte sie den Schlüsselbund aus ihrer Handtasche hervor.
    »Das ist Herr Fitzler, nicht wahr?«
    »Walter Fitzler, ja.«
    »O mein Gott.«
    Sie kämpfte mit den Tränen, schloss auf und betrat ihre Wohnung.
    »Darf ich?«
    Sie nickte, und Trojan folgte ihr.
    Sie ging in die Küche, öffnete einen Schrank, nahm eine Cognacflasche hervor, goss sich ein Glas ein und trank.
    »Möchten Sie auch?«
    Trojan hätte am liebsten bejaht, aber er schüttelte nur den Kopf.
    »Ich kann das einfach nicht glauben. Ermordet vor meiner Wohnungstür.«
    »Kannten Sie ihn gut?«
    »Nicht wirklich, man wechselt ein paar Worte im Treppenhaus, man grüßt sich.« Sie seufzte, stützte sich an der Küchenzeile ab. »Ich wohne ja noch nicht lange hier.«
    »Wo waren Sie heute Abend?«

    »Ich war mit einer Freundin was trinken, im Freien Neukölln. «
    »Fühlten Sie sich von irgendjemandem beobachtet?«
    Michaela Reiter runzelte die Stirn. »Nein.«
    »Sind Sie in letzter Zeit belästigt worden? Anrufe? Briefe? E-Mails?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ist Ihnen etwas Besonderes in der Kneipe aufgefallen? Ein Typ? Jemand, der Ihnen aufdringliche Blicke zuwarf?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf. »Warum fragen Sie mich das alles?«
    Trojan sah sie an. Sie hatte sich das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, an ihrem Hals war ein Leberfleck. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig. Wieder zuckten die Bilder von den toten Frauen vor ihm auf.
    »Frau Reiter, wir haben Grund zu der Annahme, dass der Täter eigentlich zu Ihnen wollte.«
    Ihre Augen weiteten sich.
    »Zu mir? Aber warum?«
    Trojan schwieg.
    Sie schlang die Arme um ihre Schultern.
    »Ist es wegen dieser Sache, von der man in den Zeitungen liest? Diese Frauenmorde?«
    Trojan nickte.
    »Aber warum gerade ich?«
    »Es gibt ein bestimmtes Muster«, sagte er leise.
    »Was für ein Muster?«
    Entsetzen flackerte in ihrem Blick auf. Ihr Gesicht war fahl. Trojan wünschte sich, sie irgendwie beruhigen zu können, aber er wusste nicht, wie.

    »Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, darf ich Ihnen nicht mehr verraten, aber es wäre vielleicht besser, wenn Sie für ein paar Tage und Nächte von hier verschwinden. «
    Sie starrte ihn an.
    »Nur zu Ihrer Sicherheit. Gibt es jemanden, bei dem Sie unterkommen könnten?«
    »Eine Freundin, ich kann sie anrufen.«
    »Gut. Teilen Sie mir Ihre Adresse rechtzeitig mit.«
    Er reichte ihr seine Karte.
    »Wie gesagt, es ist nur zu Ihrer Sicherheit.«

ACHTZEHN
    E r hörte spitze Schreie. Immer wieder flatterte etwas über seinen Kopf hinweg. Er riss die Arme hoch. Da traf es ihn im Gesicht. Es war weich, und es war lebendig. Er schüttelte sich, schlug mit den Händen über den Kopf. Es waren Vögel. Sie schrien, wimmelten um ihn herum, immer wieder stießen sie auf ihn herab, er krümmte sich.
    Da sah er Jana Michels. Er rief ihr etwas zu. Auch sie war von den Vögeln umringt und kämpfte gegen sie an. Schließlich verschwand sie ganz unter der gefiederten Masse.
    Es waren Gimpel, er erkannte es an den roten Bäuchen, den schwarzen Köpfen.
    Er wollte zu ihr, musste ihr helfen, doch er kam nur langsam voran. Es dröhnte in seinen Ohren. Dieses knatternde Flattern verursachte ihm Schmerzen.
    Er sah Janas Hand, wollte nach ihr greifen. Doch er fasste bloß in etwas Weiches, Blutiges. Es war eine große aufgerissene Wunde mitten auf ihrem Körper, Federn klebten darin.
    Er schrie ihren Namen.
     
    Trojan schreckte

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