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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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nicht. Der Feigling wartete zwei Minuten, ohne sich zu bewegen. Noch eine.
Er richtete sich auf und schlich zurück zur Tür, ohne jeden Laut. Er schloß die
Tür so leise er konnte. Neben dem Türpfosten kauerte er sich zusammen. Er hielt
den Revolver im Anschlag und drehte mit der linken Hand den Schalter. Mit dem
ersten Blick sah er, wer im Zimmer war.
    Die Vorhänge waren zugezogen. Neben
seinem Bett links an der Wand lag Willy auf dem Rücken. Er war im Schlafanzug.
Ein rötlicher Stoff, von dem sich die Blutflecken auf der Brust kaum abhoben.
Sie mußten ihn am Morgen oder am Abend erschossen haben, als er noch nicht
angezogen war und aufstehen wollte oder schlafen gehen.
     
    *
     
    Barbara las.
    Ab und zu nahm sie einen Schluck
Whisky. Sie hatte ihr Glas schon zweimal nachgefüllt und sich neues Eis geholt.
Es war kurz vor zehn, und sie war immer noch allein.
    Der Roman war die übliche Lektüre für
Reise und Bahnhof, nicht schlecht und nicht besonders gut. Nach einer Weile
hatte sie keine Lust mehr. Sie schaltete das Radio ein und lehnte sich im
Sessel zurück.
    Die Einrichtung ringsum war nicht
gewaltig. Ein Vermögen steckte keinesfalls darin. Schreibtisch und
Bücherschrank zeigten diesen scheußlichen nachgemachten altdeutschen Stil mit
Rauchglasfenstern zwischen gekreuzten Messingschienen. Vorhänge und Teppiche
waren leicht verschossen. Altere Semester, denen die Reinigung gutgetan hätte.
Sicher von den Eltern geerbt und in Ehren gehalten. Das Beste war noch der
Ledersessel, in dem sie saß, aber er war einsam und der einzige Raum. Keine
Blume stand herum, alles war peinlich aufgeräumt, nichts lag in der Gegend. So
ein ordentlicher Mensch. Sicher ein Pedant. Wo er nur blieb?
    Barbara sah Staub auf der
Schreibtischplatte. Sie starrte ihn eine Weile an. Dann erhob sie sich
seufzend. In der Küche war ein Besenschrank und darin ein Staublappen, in den
fast nichts mehr hineinging. Sie nahm ihn mit und wischte den Staub von der
Platte. Am Schrank war auch welcher. Als sie damit fertig war, öffnete sie eine
der Türen mit den schrecklichen Rauchglasfenstern. Viele Bücher hatte er nicht.
Sie suchte dazwischen herum.
    Natürlich gehörte es sich nicht, aber
warum blieb er auch so lange weg.
    In einer kurzen Reihe für sich standen
noch ein paar von diesen Taschenbüchern, vier Stück im ganzen. Alles
Kriminalromane. Weitere mit diesem unbekannten Namen Jonathan Hare fand sie
nicht. Nur vier?
    Konnte er davon leben?
    Wenn nicht, wovon lebte er dann?
    Die Wohnung und das Auto?
    Vielleicht hatte er Geld von zu Haus,
und die Zeitungsdrucke hatten auch etwas gebracht, sicherlich. Außerdem war er
allein.
    Sie legte die Bücher zurück, auch das
fünfte noch, die toten Männer, die so ungern standen. Der Whisky war auch schon
wieder alle.
    Halb elf und immer noch kein Hase.
    Sie schenkte sich ein weiteres Glas
voll und nahm eine Zigarette. Ohne den Whisky wäre sie jetzt schon sau wütend
gewesen.
    Immerhin könnte er wenigstens anrufen
und Bescheid sagen. Dann fiel ihr ein, daß er gesagt hatte, sie solle nicht ans
Telefon gehen. Blödsinn eigentlich. Was ging es die Leute an, wer in seiner
Wohnung war. Alt genug war er schließlich.
    Dann bekam sie Hunger, einen
plötzlichen Anfall, wie immer, wenn sie etwas getrunken hatte am Abend. Sie
lief zur Küche und riß den Kühlschrank auf. Der Fleischsalat sah gut aus. Er
war noch keine vier Wochen alt, wie sie befürchtet hatte. Sie nahm die Schüssel
heraus, dazu eine Flasche Bier, eiskalt und herrlich. Eigentlich konnte man es
aushalten. Seine Ausrüstung mit Geschirr und Bestecken war mager, aber alles
lag auf seinem Platz, ausgerichtet und sauber.
    Doch ein Pedant.
    Sie aß den Salat bis auf einen kleinen
Rest und trank das Bier aus. Sie wusch ihren Teller ab. Vom Wohnzimmer her
dudelte das Radio.
    Sie schlenderte zurück und streckte
sich im Sessel aus, nahm noch eine Zigarette.
    So was! Der erste Abend bei ihm, und
sie saß allein da. Schöne Aussichten.
    Eine halbe Stunde. Längst vorbei. Er
hatte sich wieder mal nicht getraut, die Wahrheit zu sagen. Feigling. Das war
er. Ein Feigling. Immer Angst vor sämtlichen Sachen.
    Plötzlich überfiel sie die Müdigkeit
wie ein dunkles Tuch.
    Sie merkte, daß sie nichts mehr sah,
weil ihr die Augen zugefallen waren, und öffnete sie erschrocken wieder.
Entsetzliches Gähnen folgte.
    Nach Hause! Das einzig Richtige. Ein
Blödsinn, hier herumzuhocken. Aber es war weit. Vielleicht ging gar keine
Straßenbahn mehr, und

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