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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Jeremias«, sagte
der Feigling.
    »Fein, fein. Und?«
    »Sehr krank«, sagte Jakob. »Auf Jahre
hinaus bettlägrig.«
    »Wie?«
    »Erschossen. Dreimal von Norden her.
Schlafanzug.« Er wollte eine Frage stellen, aber er tat es nicht. Meisterchen
mochte keine Fragen.
    »Hm. Sonst?«
    »Sonst nichts. Alles prima.«
    »Keine Ordensbrüder gesehen?«
    »Keine.«
    Der Meister schwieg einen Augenblick.
Dann kam seine Stimme leiser. »Tief bedauerlich alles das. In der Tat. Werden
uns bald um die Herrschaften kümmern müssen — bald —, fürchte ich — ja. Dein
Mädchen wird warten, Johann Jakob.«
    »Wahrscheinlich nicht mehr.«
    »Doch, doch. Bestimmt. Kenne die
Frauen. Wird sich in dein Bett gelegt haben.«
    Sicher war es so. Der Meister wußte
immer alles.
    »Tja, Jakob. Ich werde nach Willy
schauen. Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen, natürlich.«
    »Natürlich«, sagte der Feigling.
    »Fein, fein. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Meisterchen.«
    Er trat hinaus und atmete tief. Das
Standlicht glimmte vom Wagen her, Der Meister würde nach Willy schauen. Alles
würde sich unauffällig erledigen, ohne Schlagzeilen und Steckbriefe. Höchstens
ein paar Zeilen auf der fünften Seite.

III
     
    Der Feigling hatte Sehnsucht nach
Barbara. Er fuhr schnell und startete schon bei Gelb an den Ampeln. Jetzt
sollte man noch einen schönen Abend rausholen, und drüben lag Willy neben
seinem Bett und konnte nie mehr aufstehen.
    Im Fahrstuhl klopfte das Herz des
Feiglings stärker als vorhin auf dem dunklen Flur. Er drehte leise den
Schlüssel im Schloß. Im Wohnzimmer war Licht. Er ging den Flur entlang und
hinein und sah auf dem Teppich einen Schuh.
    Ein Schuh.
    Sie war da. Oder barfuß nach Hause
gegangen.
    Die Whiskyflasche stand auf dem Tisch
neben dem leeren Glas. In einer Schale schwammen Reste von Eiswürfeln
bewegungslos und glitzernd.
    Der Feigling schlich leise über den
Teppich und blickte um die Ecke der Nische zum Bett.
    Das Kleid sah er zuerst. Es war über
den fellbezogenen Hocker geschleudert. Der Inhalt lag im Bett.
    Barbara schlief fest. Der Mund war
etwas geöffnet. Wahrscheinlich ließ die Stupsnase nicht genug Luft durch. Das
Gesicht zeigte auch im Schlaf einen trotzigen Ausdruck, und die Unterlippe war
verschoben. Sie ärgert sich im Traum. Über mich, dachte der Feigling. Ihr
rechter Arm war angewinkelt, und die Hand steckte unter dem Bezug des
Kopfkissens, als hätte sie dort irgendwas gesucht. Die Bettdecke ging fast bis
zu den Schultern. Die Träger schnitten leicht in die bräunliche Haut.
    Der Feigling war ziemlich glücklich.
Vorsichtig nahm er das Kleid vom Schemel. Es roch fremd und betörend. Er legte
es über den Sessel. Dann goß er sich das Whiskyglas voll und setzte sich leise
auf den Schemel neben das Bett und Barbara.
    So ein freches Wesen. Übrigens das
einzig Vernünftige. Was sollte sie herumsitzen und die Wände anstarren. Und
lieb von ihr. Sie hätte genausogut gehen können, auf immer und ewig.
Wahrscheinlich war es in der heutigen Zeit Mode, daß die Mädchen in den Betten
auf den Gastgeber warteten. Man selbst war doch recht rückständig.
    Der Whisky wurde schnell alle. Nach dem
zweiten Glas war alles besser. Die Geschichte mit Willy saß nicht mehr so dicht
auf der Seele. Und Barbara war da.
    Zunächst entschloß sich der Feigling,
die ganze Nacht und den halben Vormittag am Bett sitzen zu bleiben. Ehrenwache
vor der Angebeteten. Nach dem dritten Whisky verwarf er den Entschluß und
begann sich mit der Frage zu beschäftigen, wo er schlafen sollte. Das Bett war
besetzt. Kein Zweifel. Es blieb nur der Sessel. Beine auf den Tisch. Oder das
schwach gepolsterte Klappbett auf dem Korridor. Er entschied sich dafür. Das
Kreuz würde elend weh tun am nächsten Morgen. Gleichviel. Liebe verlangte
Opfer.
    Mit größter Behutsamkeit transportierte
er das Bett ins Zimmer und klappte es auseinander. Die Scharniere quietschten
fürchterlich. Nur eine Wolldecke war da. Kein Kopfkissen. Man konnte die Jacke
zusammenrollen. Der Soldat behilft sich.
    Der Schlafanzug fehlte auch. Er lag
unter Barbara. Der Feigling zog sich im Bad aus und schämte sich seiner
Unterhosen. Völlig unmodern, keine Form darin. Schlotterten mit griesgrämigen
Falten herum. Er betrachtete sich im Spiegel. Bauch zu dick, Beine zu dünn. Ein
miserabler Anblick. Es würde besser sein, den Morgenrock überzuziehen.
    Dann ging er zurück. Er sah noch einmal
nach Barbara. Sie schlief in der gleichen Haltung, trotzig und fest.

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