Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
So einen
Schlaf brauchte man.
    Plötzlich entdeckte der Feigling auf
dem Nachttisch eine Feder. Sie war grauweiß und mittelgroß. Stammte mit
Sicherheit aus dem Kopfkissen. Barbara hatte eine Feder aus dem Inlett gezogen.
Unglaublich.
    Vorsichtig nahm er sie auf und
betrachtete sie. Eine veritable Feder. Es gab nur eine Möglichkeit, sie zu
verwenden. Unendlich behutsam legte er sie über Barbaras Nase. Sie blieb
liegen, ruhte gut und sicher.
    Der Feigling sandte mit den Lippen
einen Kuß in die leere Luft und löschte die Stehlampe aus. Dann tastete er sich
zum Feldbett. Er warf den Morgenmantel von sich und legte sich nieder.
Verteufelt hart war das Gestell. Ach was. Man brauchte nur an Moltkes Großen
Generalstab während der Mobilmachung zu denken. Auch da hatten die Offiziere in
ihrem Dienstzimmer auf Feldbetten geschlafen, standhaft wie die Wacht am Rhein.
Alles fürs Vaterland und Barbara.
    Er zog die Wolldecke bis ans Kinn und
schloß die Augen. Dann hörte er, wie es in seinem Bett lebendig wurde.
    Die Bezüge raschelten. Barbara atmete
stoßweise. Gleich darauf erscholl ein fürchterliches Niesen.
    »Gesundheit!« sagte der Feigling.
    Er vernahm, wie sie sich ruckartig
aufsetzte.
    »Was ist... wo bin ich denn hier...?«
    »In meinem Bett. Einsvierzig mal zwei
Meter. Matratze mit Federkern, zehn Jahre Garantie.«
    »Ach, du lieber Gott.« Es klang
kläglich. »Jakob — bist du da?«
    »Jawohl. Ich liege zu deinen Füßen.«
    »Wie spät ist es?«
    »Es ist später, als du denkst«, sagte
er mit Grabesstimme.
    »Ich muß sofort nach Hause!«
    »Unverzüglich. Aber die angebrochene
Nacht mußt du bezahlen. Das Zimmer kostet zweiundzwanzigfünfzig, mit Bad und
Frühstück. Das letztere ist im Hause einzunehmen.«
    »Warum bist du so lange weggewesen?«
    »Der Idiot hat mich so lange
aufgehalten«, sagte der Feigling. Verzeih mir, Willy. »Ist einen Zug später
gefahren und hat mich vollgequatscht. Hab’ dagesessen wie auf einer
Schnellkochplatte. Sei nicht böse.«
    »Ich bin so müde.« Pause. »Jakob...
liegst du auf dem Fußboden?«
    »Dicht darüber. Feldbett. Cäsar im
gallischen Krieg. Den Harnisch habe ich anbehalten. Desgleichen die Beinschienen.
Das Schwert liegt in Griffnähe. Der Helm ist auf dem Nachttisch, neben den
Magentropfen und der Generalstabskarte. Mein maurischer Sklave Phytax wacht mit
der Maschinenpistole vor dem Zelt...«
    »Bist du sehr betrunken?«
    »Ganz wenig. Du hast mir kaum was
übriggelassen.«
    »Ich hab’ solchen Durst!«
    »Warte, Geliebte. Ich schicke Phytaxen
zur Marketenderin um Bier.«
    Er krabbelte aus dem Gestell heraus und
zog den Morgenrock an. Niemals durfte sie diese Unterhosen sehen. Er tastete
sich zum Flur und machte Licht. Die Bierflaschen im Kühlschrank zeigten feuchte
Beschläge. Im Wohnzimmer knipste er die Stehlampe wieder an. Dann stellte er
sich neben den Vorhang zur Nische.
    Barbara lag wieder auf dem Rücken und
sah vergnügt zu ihm hin. Den linken Daumen hatte sie im Mund. Mit der rechten
Hand suchte sie wieder im Inlett des Kopfkissens herum.
    »Zum Trinken wirst du den Daumen
herausnehmen müssen«, sagte er.
    »Und was soll dieses Federnsuchen? So
ein Kissen kostet eine Menge...«
    Sie kam hoch und schüttelte sich lachend.
    »Greis! Dieser Morgenrock!
Stachelbeerbeine und Plattfüße! Mister Universum! Oh, wie bist du schön!«
    »Es plattet alles immer mehr ab.«
    Er setzte sich auf den Schemel und
öffnete die Flaschen. »Vom Kopf bis zu den Füßen. Hier — im Krieg gibt’s nur
die Feldflasche. Cäsar oder nichts.«
    Sie leerten die Flaschen bis zur
Hälfte.
    »Es tut mir leid, Bärbel. Ich hab’ die
ganze Zeit daran gedacht, was du hier machst und ob du weggehst. Schön, daß du
dageblieben bist.«
    »Hol mir eine Zigarette, bitte.«
    Er tat es.
    »Du mußt mitrauchen!«
    »Ich kriege den Keuchhusten.«
    »Rauch mit, ja?«
    Er tat auch das.
    »Ich muß dem Herrn Verleger dankbar
sein«, sagte er nach dem ersten Hustenanfall.
    »Wieso?«
    »Allein hätte ich es nicht geschafft,
dich in mein Bett zu kriegen.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Ich hätte es auch nicht versucht.«
    »Will ich hoffen. Ich gehe auch, wenn
das Bier alle ist.«
    »Ich geb’ dir eine Flasche mit für
unterwegs. Der Durst ist...«
    Ihr Gesicht verzog sich zu einem
entsetzten Ausdruck.
    »Was ist? Spinne an der Wand?«
    »Mein Gott! Ich habe gar keinen
Hausschlüssel!«
    »O gütiges Geschick!« sagte der
Feigling voller Inbrunst.
    »Meine Wirtin! Kann ich

Weitere Kostenlose Bücher