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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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wo sollte sie ein Taxi herkriegen? Egal. Raus hier und
fort. Sie stand auf. Aber sie ging nicht zur Tür. Sie schob mit einem Arm den
Vorhang zur Seite, der seine komische Schlafkabine abteilte.
    Hm! Das Bett war nicht schlecht. Man
könnte...
    Nein. Das fehlte noch. In seinem Bett!
    Vielleicht — nur ein bißchen. Die
Schuhe aus und nur so drauflegen, gar nicht aufdecken. Er mußte ja gleich
kommen, vielleicht hatte er eine Panne gehabt oder so was.
    Sie schleuderte die Schuhe von den
Füßen, quer durch den Raum. Das Radio drehte sie aus, die Stehlampe ließ sie
mit einer Birne brennen.
    Dann lag sie schon. Wunderbar. Der
würde Augen machen. Kommt alles vom Whisky. Ein herrliches Bett. Bißchen kühl
war es, so obendrauf ohne Decke. Man sollte... nur für die Beine... hach, und
der enge Gürtel... warum eigentlich nicht?
    Sie kam mit einem Schwung hoch, zog das
Kleid über den Kopf. Ausgeschlossen übrigens, mit dem Kleid unter die Decke zu
kriechen, von dem blöden Gürtel ganz abgesehen. Außerdem ist es mir völlig
gleichgültig, was er denkt. Völlig gleichgültig. Eine Sekunde später hatte sie
die Decke über sich. Jetzt war’s richtig.
    Sie streckte sich lang aus, die Arme
hinter dem Kopf.
    So. Nun konnte er wegbleiben bis in die
Puppen.
    Aber sie lauschte doch nach draußen,
nach irgendeinem Geräusch, nach seinem Schlüssel oder seinem Schritt. Es war
ganz still im Haus. Von der Straße drang kaum noch ein Laut nach oben. Alles
still.
    Barbara lag und wartete.
    Der Feigling kam nicht zurück.
     
    *
     
    Er kniete neben dem toten Willy. Drei
Einschüsse, alle im Brustbein, übereinander. Schießen konnte der Kerl. Sah aber
aus, als wäre er dicht rangekommen. Wen ließ Willy an sich rankommen? Nur
Leute, die er gut kannte. So eine Scheiße.
    Im Zimmer war nichts, was nicht
hingehörte. Willys Hemd und seine Unterwäsche lagen säuberlich über dem Stuhl.
Sein Anzug hing im Schrank.
    Der Feigling drehte den Schlüssel mit
dem Taschentuch über den Fingern. Es gab Dinge, die konnte man gar nicht mehr
anders machen, so eingefahren waren sie. Auf dem Nachttisch waren die Lampe,
ein zusammengeknittertes Taschentuch, die Armbanduhr, ein Wecker und eine
Fachzeitschrift über Vermessungstechnik. Guter Willy. Hatte sich immer
weitergebildet. In einem Beruf, den er gar nicht hatte.
    Die Armbanduhr stand auf neun. Der
Wecker auf halb drei. Er war abgelaufen, sieben Uhr. Willy hatte aufstehen
wollen, morgens oder abends. Nicht rauszufinden, wann sie gekommen waren.
    Im Bad tropfte der Hahn am Waschbecken.
Das war die einzige Bewegung im Raum. Alles stand an seinem Platz. In der Küche
das gleiche.
    Der Feigling ging ins Wohnzimmer
zurück. Er war vorhin schon dagewesen, gleich nachdem er Willy gefunden hatte.
Nicht so vorsichtig wie im Schlafzimmer. Er hatte es gewußt, niemand lauerte
auf ihn. Es war nicht mehr nötig. Sie hatten Willy erledigt, sie konnten
warten..
    Er hatte die Vorhänge zugezogen. Die
Deckenlampe brannte. Der Schreibtisch sah unberührt aus, ganz normal, etwas
Unordnung, etwas benutzt. Der Feigling wußte, daß sie ihn durchsucht hatten.
Alles hatten sie durchsucht. Er wußte auch, daß sie nichts gefunden hatten. Bei
keinem von ihnen würden sie jemals etwas finden, was mit ihrer wahren Arbeit
zusammenhing. Alles harmlose Bürger mit richtigen Anweisungen und ohne
Mikrofilme im Schreibtisch. Nein, sie hatten nichts gefunden.
    Der Feigling sah sich den Schreibtisch
trotzdem an. Nichts. Keine Spur von etwas. Nur Vermessungstechnik. Er dachte an
die Meisterdetektive in den Kriminalromanen, die bei solchen Gelegenheiten eine
Menge Hinweise auf den Täter fanden. Nichts. Das war das Scheußliche bei diesem
Beruf. Alles vollzog sich unter der Hand, eine unsichtbare Auseinandersetzung
auf Leben und Tod, in der lautlos gekämpft und unauffällig gestorben wurde, und
wenn einer abkratzte, war es, als hätte er niemals gelebt. Eine Notiz auf der
Karteikarte und aus.
    Der Feigling ließ alles, wie es war. Er
löschte das Licht. Im Schlafzimmer sah er Willy an, bevor er die Tür
einklinkte. Schlaf gut, alter Bursche. Vielleicht schnappen wir den Amtsbruder.
An mir soll’s nicht liegen.
    Langsam ging er die Treppe hinunter.
Auf der Straße war es ruhig. Den Rest mußte der Meister erledigen.
    Er ging zum Wagen und fuhr weg. Niemand
folgte ihm. Er fuhr den gleichen Weg zurück. An der Umgehungsstraße leuchtete
der Glaskasten einer einsamen Telefonzelle.
    »Hallo!« sagte der Meister.
    »Johann Jakob Josef

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