Der Feind im Spiegel
die Seiten aus. Dann schloß er die Datei und löschte sie, nachdem er den Kode noch einmal eingegeben hatte.
»Wie heißt er?« fragte er dann. Von Mustafas ramponiertem Gesicht tropfte der Schweiß, seine Haut war leichenblaß.
»Er wird uns töten. Alle beide!«
Vuk atmete tief ein und aus wie ein Lehrer, der vor einem widerspenstigen Schüler steht, und langte wieder nach der Schlinge, aber er sah, daß Mustafa am Ende war. Er hatte sich in die Hosen gemacht. Vuk rümpfte die Nase und stellte sich hinter ihn. Mustafa nuschelte heiser: »In Dänemark ist er unter dem Namen Öcelan al-Douri bekannt. Ich habe ihn dort kennengelernt. Er hat mich gelehrt, Allahs Wegen zu folgen und die Gottlosen zu bekämpfen. Die beiden Türme sind bloß der Anfang. Allahs Soldaten werden siegen. Jetzt wohnt er in Madrid und in Ronda. Er hat zwei Wohnungen. Talab Saleh ist sein offizieller Name in Spanien. Er führt ein ganz normales Leben, aber er ist Allahs würdiges Schwert. Möge dein Geschlecht verflucht sein bis ins zehnte Glied!«
»Und er ist der Thronfolger?«
»Er ist ein großer Mann, du Hund. Er fürchtet nur Allah, er wird dich bis ans Ende der Welt jagen und dich in die Hölle befördern!«
»Wer hat ihn geschickt? Saddam?«
»Saddam? Osama? Welche Bedeutung hat das schon? Aber wenn’s dir Freude macht – bitte sehr. Er ist Allahs Krieger, und du bist in jedem Fall ein toter Mann.«
»Wohl kaum«, sagte Vuk und jagte ihm das Schnappmesser in den Nacken. Er mußte einen Schritt zur Seite treten, damit das Blut ihn nicht bespritzte.
27
Per Toftlund rann der Schweiß übers Gesicht, als das Telefon klingelte. Eine Hitzewelle hatte Dänemark erfaßt, und wer irgend konnte, war ans Wasser geflohen, während er in seinem Büro saß und daran dachte, daß er bald eine Woche Ferien machen konnte. Mit einem alten Kameraden, der auch Froschmann gewesen war, wollte er zum Tauchen fahren. Und zwar nicht zusammen mit Millionen anderer Touristen irgendwo im Süden, sondern an der norwegischen Nordküste, wo das Wasser eiskalt und klar war. Der Freund hatte von einem spannenden, unerforschten sowjetischen Wrack erfahren, zu dem hinabzutauchen nicht nur gefährlich, sondern auch verboten war. Als das Telefon klingelte, war er jedoch in Gedanken bei Aischa und wunderte sich wieder einmal über ihre Teilnahmslosigkeit, die immer dann eintrat, wenn sie miteinander geschlafen hatten und schweißgebadet auf dem Bett lagen und keine Worte für ihre Empfindungen fanden. Falls sie überhaupt etwas anderes füreinander empfanden als gegenseitige körperliche Anziehung.
Die Stimme im Telefon sprach spanisch.
»Per, altes Haus. Hier ist Juan.«
»Juan. Das ist ja eine Überraschung. Wie geht’s dir?«
Per sah den kleinen, lebhaften Spanier in seinem Madrider Büro vor sich, wo es angenehm kühl war, weil die glücklichen und klugen Leute dort unten Klimaanlagen hatten. Kommissar Juan Montoya war nicht nur ein Kollege, sondern auch ein Freund. Sie hatten sich vor Jahren kennengelernt, bei gemeinsamen Übungen von NATO-Spezialeinheiten. Später hatten sich beide für die Polizei entschieden, aber Juan war bei der Kripo geblieben. Es war mittlerweile einige Jahre her, daß sie sich zuletzt gesehen hatten.
»Viel Arbeit, Per. Für dich übrigens auch. Ich rufe aus Cuenca an.«
»Cuenca?« Per suchte nach den spanischen Vokabeln. Irgendwo mußten sie doch stecken. Er mußte sie bloß finden. »Ich dachte, du arbeitest in Madrid?«
»Ich hatte genug von der Hauptstadt. Meine Frau ist aus Cuenca. Sie wollte gern nach Hause zurück.«
»Okay. Was kann ich für dich tun?«
»Wir haben hier eine Leiche. Einen Mann. Ist heute nacht ermordet worden, und zwar sehr professionell. Eigentümer einer Pizzeria. Türkischer oder irakischer Kurde, aber er hat einen dänischen Paß. Verdiente brav seinen Lebensunterhalt, gesetzestreuer Bürger, soweit wir wissen. Alle Zulassungen in Ordnung.«
»Sehr interessant, Juan, aber was geht mich das an?«
»Hör doch erst mal zu, Per. Ganz so brav scheint unser Bürger doch nicht gewesen zu sein, mein EDV-Fachmann hat nämlich ungemein spannende Sachen auf seinem Rechner gefunden. Terrorsachen. Er hatte offenbar Verbindungen zu Ansar al-Islam, das heißt zu al-Qaida.«
»Wie heißt er?«
»Mustafa Mussin.«
»Oh, dann geht’s mich doch was an«, sagte Per. »Mit dem würde ich gern mal sprechen.«
»Leider etwas zu spät, Per.«
Toftlund dachte an die genannte Organisation. Ansar al-Islam, im
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