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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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schlafen können.
    Die Brücke von Cuenca, die das Hotel in dem ehemaligen Kloster mit der Altstadt verband, war eine imposante Konstruktion. Sie stand auf Eisenträgern, die wiederum auf Steinblöcken ruhten, und überspannte in großer Höhe eine Schlucht. Hier war sicher einst ein Fluß geflossen. Heute verlief dort ein Weg durch ein Erholungsgebiet. Die Brücke war 1902 erbaut und hatte ein rostrotes Eisengitter und einen Holzboden, durch dessen Spalten man in die Schlucht mit ihren grünen Bäumen und Büschen hinabsehen konnte. Vuk stand mit dem Rücken zum Hotel, das die Spanier Parador nannten, und schaute auf zwei der sogenannten »hängenden Häuser«. Sie waren aus Holz und hingen in der Tat bedrohlich weit über der tiefen Schlucht. Vuk war von seiner Pension aus zu Fuß zum Parador hinaufgegangen. Er schaute zur Brücke hinüber. Es war noch immer sehr warm, die Zikaden zirpten wie wild. Die Mauersegler sausten in rasendem Flug über die Brücke und durch die Schlucht. Eine Familie kam aus dem Parador und betrat die Brücke. Sie unterhielten sich angeregt auf deutsch und versicherten sich gegenseitig, daß die Brücke halten würde, aber Mutter und Tochter gingen doch eiligst hinüber, ohne einen Blick nach unten zu werfen. Von der anderen Seite kam ihnen Hand in Hand ein jüngeres Paar entgegen. Es blieb mitten auf der Brücke stehen, lehnte sich ein wenig über das Geländer und sah in die Schlucht hinunter und vielleicht weiter zu den Bergen in der Ferne. Sie waren gelb und braun mit grünen Tupfern. Auf einem der Berge ragte eine hohe Christusstatue empor. Nach einem Weilchen setzte das Pärchen seinen Weg fort und kam auf Vuks Seite herüber. Dann ging eine weitere Touristenfamilie an Vuk vorbei und überquerte die Brücke in Richtung Altstadt, sicher um dort ein gutes Restaurant zu suchen. Alles wirkte normal und vertrauenerweckend, dachte Vuk.
    Vermutlich hatte Mike das gleiche gedacht und die Gegend ebenfalls beobachtet, um sicherzugehen, daß sich nicht noch andere für ihr kleines Rendezvous interessierten. Das war zwar völlig unwahrscheinlich, aber sicher ist sicher. Vuk sah, wie Mike die Brücke betrat und sie langsam überquerte. Er freute sich, ihn zu sehen. Er war auch in Shorts und T-Shirt, trug aber Sandalen, während Vuk seine Sneaker anhatte. Es war ein sehr heißer Sommer, selbst für spanische Verhältnisse. Nicht einmal nachts sank die Temperatur unter zwanzig Grad. Vuk setzte sich in Bewegung, so daß sie sich mitten auf der Brücke trafen. Sie stellten sich nebeneinander, stützten die Ellbogen auf das Eisengeländer und blickten in die schwindelnde Tiefe. Ein sehr unschuldiges Bild. Zwei Männer, die auf der Brücke von Cuenca die letzten Strahlen der Abendsonne genossen.
    »Schön, dich zu sehen, John.«
    »Ganz meinerseits, Mike.«
    »Probleme?«
    »Ganz und gar nicht. Warum hast du mich kontaktiert?«
    »Sie fragen, ob du bald ein Ergebnis vorlegen kannst.«
    »Kann ich«, sagte Vuk. Er blickte in die Tiefe und verspürte einen leichten Schwindel.
    »Es eilt ein bißchen.«
    »Ich rechne heute abend mit einem Ergebnis. Aber, Mike …«
    »Ja?«
    »Ich bin mir nicht sicher, daß die Sache vor Gericht Bestand haben wird.«
    »Das macht nichts. Zu Hause sagen sie, wenn du uns den Namen des Mannes geben kannst, der das Bindeglied zwischen Saddam und al-Qaida darstellt, dann kümmern wir uns um den Rest. Vorläufig wird er nicht vor Gericht gestellt. Der wird erst mal nach Guantánamo geschickt.«
    »Gut.«
    »Einen Namen, eine Adresse. Oder eine Telefonnummer, dann heben wir ihn aus. Die Spanier sind gute Alliierte. Im Antiterrorkampf sind sie Profis.«
    »Gut.«
    Mike richtete sich auf und drehte sich um. Er lächelte einer Familie mit zwei kleinen Kindern zu, die gerade vorbeiging. Auf der anderen Seite kam wieder ein junges Pärchen Hand in Hand. Unten in der Schlucht liefen mehrere Jogger auf den angelegten Sandwegen, die sich durch die Bäume und Büsche schlängelten.
    Mike sagte: »Kauf dir eine neue Karte fürs Handy, schick mir eine Mail mit Namen und Adresse und halte dich bedeckt, dann schaffen wir dich außer Landes. Schalte dein Telefon jede Stunde an, sobald du den Namen für mich hast.«
    »Ich weiß nicht, wie lange ich noch hierbleiben kann. Das geht nur eine sehr begrenzte Zeit.«
    »Keine Bange, John. Wir kriegen dich schon raus. Du wirst beschützt. Ich möchte doch noch mal mit dir in Kauai im Meer schwimmen.«
    »Allerdings. Ich auch mit dir, Mike.

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