Der Feind im Spiegel
Unbedingt.«
*
Vuk wartete, bis die beiden Angestellten die Pizzeria verlassen hatten. Er stand im Schutze der Dunkelheit, die die schmale, schlecht erleuchtete Straße umfing, im Eingang des Tabakladens gegenüber. Er hörte, wie sie sich von Mustafa verabschiedeten. Ein junges Mädchen mit blondiertem Haar und ein kräftiger Spanier. Es war immer noch heiß in der Stadt. Die Tür stand offen. Mustafa war nicht besonders vorsichtig, dachte Vuk. Er war eigentlich schon immer ein arroganter Sack gewesen. Überzeugt von seiner eigenen Unverwundbarkeit. Aber gleich würde er doch die Tür zuziehen und abschließen, bevor er sich in sein Hinterzimmer zurückzog, um die Tageseinnahmen zu zählen. Vuk trat ein. Mustafa stand an der Kasse und bündelte Euroscheine. Er hatte sich ein Geschirrtuch vor den Bauch gebunden. Sein weißes T-Shirt hatte einen Schweißfleck auf der Brust, und der Bauch hing ihm über die helle Hose. Aus dem Aschenbecher an der Kasse stieg der Rauch seiner Zigarette senkrecht in die Höhe. Mit dem Rand seines T-Shirts ergriff Vuk den Eisenhaken, der die Tür hielt, löste ihn und schob die Tür mit dem Absatz zu. Sie fiel rasselnd ins Schloß. Mustafa hob den Kopf.
»Wir haben geschlossen«, sagte er auf englisch. Und dann auf spanisch: » Cerrado! Hasta ma ñ ana. «
Vuk machte zwei Schritte auf ihn zu.
»Hallo Mustafa!«
Mustafa sah ihn an. Sein Blick war ruhig, aber Vuk merkte, wie sein Gedächtnis zu arbeiten begann.
»Janos? Bist du das? Wo kommst du denn her? Das darf doch nicht wahr sein!«
»Wie geht’s, Mustafa?« Er machte noch einen Schritt nach vorn.
»Was machst du denn hier? Nach dir wird doch gefahndet, Mann. Ich dachte, du wärst tot!«
Noch ein Schritt.
»Ich soll dich von Fatima grüßen.«
»Hast du mit ihr geredet? Bist du in Dänemark gewesen? Du wirst doch gesucht, Mann!« Sein Dänisch hatte einen leichten Akzent, aber vergessen hatte er es anscheinend noch nicht.
»Ja, ich habe mit deiner Schwester gesprochen.«
Mustafa legte das Geld auf die Theke und griff nach der Zigarette, die im Aschenbecher vor sich hin qualmte. Darauf hatte Vuk nur gewartet. Seine Handkante sauste gegen Mustafas Hals, gerade hart genug, daß der schwere Mann einen glasigen Blick bekam und auf den Boden rutschte. Vuk konnte gerade noch seinen Kopf auffangen, bevor er auf die Fliesen knallte. Er befühlte seine Halsschlagader. Der Puls war bedenklich schwach, aber das Herz schlug regelmäßig, immerhin, und Mustafa atmete relativ ruhig. Vuk schloß die Tür zu und wischte den Schlüssel ab, löschte das Licht, wischte auch den Schalter ab und zerrte Mustafa durch den Gang ins Hinterzimmer. Er war sehr schwer, und zwischendurch öffnete er einmal die Augen. Vuk schwitzte stark, als er Mustafa auf den Stuhl hievte, der normalerweise vor dem Schreibtisch stand und den er nun in die Mitte des Zimmers geschoben hatte. Er angelte das Klebeband aus seiner Gürteltasche und fand mit den Zähnen den Anfang, während er Mustafa auf dem Stuhl festhielt. Sein Kopf fiel von einer Seite auf die andere, und langsam drangen klagende Laute aus seiner Kehle. Vuk wickelte das Klebeband um Mustafas Körper und die Rückenlehne des Stuhls, aber die Hände ließ er vorn; die Oberarme hatte er eng am Körper festgebunden. Er riß das Klebeband durch und fesselte damit Mustafas Knöchel an die Stuhlbeine. Dann schlug er Mustafa ein paarmal mit der flachen Hand ins Gesicht, bis der die Augen öffnete. Sein verschleierter Blick wurde rasch wieder klar. Vuk sah sich um. In dem kleinen Raum gab es kein Fenster. Er schloß die Tür mit dem Fuß. Von draußen drangen keine Geräusche herein. Und von hier würden auch keine Geräusche nach draußen gelangen.
Vuk lehnte sich an die Wand und wartete darauf, daß Mustafa ihn ansah. Mustafa röchelte heiser.
»Was ist los, Mensch? Was willst du überhaupt. Willst du Geld? Dann nimm dir die Knete und zieh Leine, Alter! Was geht hier eigentlich vor, Mann?«
Vuk trat auf ihn zu und rammte ihm zwei trockene Fausthiebe ins Gesicht. Die Lippe sprang auf und fing an zu bluten, und das Auge füllte sich mit Tränen und schwoll binnen Sekunden an. Mustafa stöhnte und zerrte an dem Klebeband.
»Nimm das Geld und hau ab, Mann! Alter Wichser, was hab ich dir getan?«
Vuk schlug wieder zu. Zweimal mit der flachen Hand und einmal per Faust in das bereits lädierte Auge. Mustafa jammerte jetzt lauter. Vuk trat einen Schritt zurück und sagte: »Ich hab dich noch nie leiden
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