Der Finanzer
welcher ein
eigenartiges, scheues Wesen eigen zu sein schien, wie wenn der Mann Ursache hätte, etwas vor der Öffentlichkeit zu
verheimlichen.
Lergetbohrer gewahrte dieses scheue Wesen sofort, fand es indes begreiflich, daß der junge Mann in seinem Ärger
über die Störung nun sich entfernte, wobei er den Wein auf dem Tische stehen ließ.
Zenzele war an den Tisch Lergetbohrers herangetreten und frug spitz: »Was isch g'fällig?«
»Ich habe wohl gestört, Fräulein?« frug Anton entgegen.
»Was Sie sich nicht einbilden! Durchaus nicht! Was isch g'fällig?«
»Ich bitt' um ein Viertele Wein!«
»Weiß oder rot?«
»Bitte rot!« Zenzele entfernte sich. Ein erquickender Anblick, wie das prächtige Mädchen so zierlich
dahinschritt.
Bald kam Zenzi mit dem Fläschchen Rotwein zurück, stellte es auf den Tisch und begab sich ins Haus.
»Sie ist vergrämt!« murmelte Anton und schenkte sich das Glas voll. Merkwürdig, was dieser Wein
für ein Bukett hat! Schon nach dem Geruch kann festgestellt werden, daß dieser Rotwein in Tirol nicht beheimatet
ist. Ein Kostschluck bestätigt dies sofort. »Veltliner Rötel!« flüsterte Anton, »und ganz
gewiß nicht ordnungsgemäß verzollt!«
Drinnen im Hause hatte Zenzele dem Vater, einem echten, gutgenährten Vorarlberger mit klugen Augen und einer gewissen
Verschmitztheit im Wesen, zugeraunt, daß im Garten ein Gast sitze, der ihr verdächtig vorkomme. Es wäre ihr,
als wenn der Mann sonst eine Uniform trüge, das Zivilgewand schlottere etwas. Nur wisse sie nicht zu sagen, ob der Mann
Militär oder sonst was sei.
Vorsichtig trat Wüsteler, der Weinwirt, an ein nach dem Garten gerichtetes Fenster und guckte hinaus.
»Ganz richtig! Das isch ein Uniformmensch in Zivil! Tod und Teufel, das isch ein Finanzer in Zivil, darauf wett'
ich!« Zu Zenzele gewendet, frug der Vater: »Was hat der Kerl für'n Wein draußen?«
»Rötel hat er bestellt!«
»Und gegebe hast du?«
»Vom Faß Nummer drei!«
»Bim Blueß, sell isch' bi Gott bedurli! Der Ma' wird im volla Bisa heimkehre und Azeig' mache!« (Beim
Blute Christi, das ist bei Gott bedauerlich! Der Mann wird im vollen Laufe heimkehren und Anzeige erstatten.)
Gelassen blieb Zenzele, wenigstens äußerlich, und kühl sagte sie: »Eßeda goht er!«
(Jetzt geht er.)
Nun jammerte der Wirt, der nichts anderes glaubt, als daß der Mann heimkehren, die Uniform anziehen, wiederkehren
und den gepaschten Wein konfiszieren werde. So rasch kann aber das Faß mit dem unverzollten Veltliner Wein nicht
versteckt werden. Plötzlich hält Wüsteler inne und fragt, ob der Mann vielleicht auf das Zahlen vergessen
habe.
Rasch springt Zenzele hinaus und überzeugt sich, daß der Gast achtzehn Kreuzer für den genossenen
Viertelliter Wein zurückgelassen hat.
Der Wirt verwünscht sich, seine Habsucht und Dummheit. Einem Verdächtigen geschmuggelten Wein vorzusetzen, das
ist schon polizeiwidrig dumm. Und Wüsteler goß die Zornschale über Zenzi aus, die er wahrhaftig für
gescheiter gehalten habe.
Lergetbohrer wandelte gegen Abend dem Hafen zu und betrachtete die Ankunft und Landung der Dampfer, Eben dreht der
»Bodmann«, ein badisches Schiff bei, und langsam vollzieht sich die Landung. An Bord ist das übliche Hasten
und Drängen der Passagiere wahrzunehmen. Am Deck erster Klasse ruht ein Herr in einem Tragsessel, anscheinend ein
Gelähmter, der an Land transportiert werden muß. Richtig begeben sich zwei Mann, die der Schiffsbedienung nicht
anzugehören scheinen, zu ihm und ergreifen die Stangen des Tragsessels. Lergetbohrer behält den Mann
unwillkürlich scharf im Auge; ihm erscheint seltsam, daß ein Kranker gar so angestrengt nach den Finanzern blickt,
die nahe der Landungsbrücke im Revisionssaale stehen.
Wie der Krankentransport in den Dienstraum gelangt, drängt sich Lergetbohrer in nächste Nähe, just recht,
um zu hören, wie die Frage des Wachmannes nach Gepäck, Zollbarem, Zigarren und Tabak vom kranken Herrn mit dem
Hinweis, daß der Diener das Gepäck bringen werde, beantwortet wird.
Höflich langt der Finanzmann ans Käppi. Der Kranke wird von den zwei Dienern aus dem Revisionssaale getragen.
Lergetbohrer folgt dem Transport, weil er dazu noch Zeit hat und wissen möchte, wohin sich der ängstliche Herr und
ohne auf das Gepäck zu warten, tragen läßt.
Sonderbarerweise wird nicht der Weg in ein Hotel oder in das Spital genommen, sondern in die Oberstadt. In der
Dämmerung verschwindet der
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