Der Findling
Hand.
Sie fühlten das Verlangen, deren Deck zu betreten. (S. 302.)
Wir wollen nicht auf alle Einzelheiten des Lebens Findlings und seines Freundes Bob während der sechs Monate nach seinem Eintreffen in Cork eingehen. Der lange und rauhe Winter wäre für an Hunger und Kälte weniger gewöhnte Kinder gewiß verderblich gewesen. Jetzt machte die Noth aus diesem Knaben von elf Jahren schon einen Mann. Einstmals, bei der Hard, lebte er von nichts, und wenn er heute von wenig lebte, so lebte er doch, und Bob noch mit ihm. Mehr als einmal hatten sie freilich des Abends nur ein Ei zu theilen, das sie mit einem Stück Brod verzehrten, dennoch sprachen sie nie um ein Almosen an. Bob hatte eingesehen, daß das Betteln eine Schande war. Beide besorgten sie kleine Aufträge, holten Wagen von den Halteplätzen und trugen, manchmal ziemlich schweres, Reisegepäck, das die Fremden ihnen beim Verlassen des Bahnhofs übergaben.
Findling verstand von dem Reste seines Lohnes von Trelingarcastle möglichst viel zu erhalten. Nur in den ersten Tagen des Aufenthaltes in Cork hatte er einen Theil davon opfern müssen. Bob brauchte ja Kleider und Schuhe und freute sich unbändig, als er einen ganz neuen Anzug für dreizehn Schillinge auf dem Leibe hatte. Er konnte ja aber auch nicht in Lumpen und barfuß nebenher gehen, wenn sein großer Bruder anständig gekleidet erschien. Nach dieser einmaligen Ausgabe galt es aber, von dem zu leben, was tagsüber verdient wurde. Zuweilen, wenn ihnen der Magen ein wenig knurrte, beneideten sie wohl Birk, der sein Futter auf der Straße fand.
»Ich möchte fast auch ein Hund sein! meinte Bob.
– Nun, verwöhnt bist Du offenbar nicht!« antwortete Findling.
Mit dem Miethzins im Gasthaus blieben sie nie im Rückstand. Der Eigenthümer, der sich für die beiden Kinder interessierte, bedachte sie von Zeit zu Zeit einmal mit einer guten warmen Suppe, und die konnten sie ja wohl ohne Erröthen annehmen.
Wenn Findling darauf hielt, die beiden Pfund, die ihm nach den ersten Einkäufen noch verblieben, zu bewahren, so geschah das, weil er auf die Gelegenheit wartete, dieses Capital »ins Geschäft zu stecken«, wie er sagte. Bob riß die Augen weit auf, als er ihn so sprechen hörte, und Findling erklärte ihm dann, das bestehe darin. irgendwo Dinge einzukaufen und sie um höheren Preis wieder zu verkaufen.
»Dinge, die man essen kann? fragte Bob.
– Die man essen kann oder nicht, das hängt vom Zufall ab.
– Ich würde lieber suchen kaufen, die eßbar sind.
– Warum denn, Bob?
– Nun, wenn man sie einmal nicht verkauft, kann man sie wenigstens selbst verzehren.
– Ei, Bob, Du hast ja schon rechtes Verständniß für den Handel! Es kommt indeß darauf an, gut auszuwählen, was man einkauft, dann wird man das wohl immer mit Nutzen wieder los.«
Hieran dachte unser Held unablässig, und er machte auch einige schüchterne Versuche, die nicht fehlschlugen. Wenn es mit Papier, Bleistiften und Streichhölzchen auch – wegen starker Concurrenz – nicht recht gehen wollte, so hatte er doch bessern Erfolg mit dem Verkauf von Zeitungen, mit denen er sich in der Nähe des Bahnhofs aufstellte. Bob und er sahen so interessant, und vorzüglich so grundehrlich aus, sie boten ihre Waare so geschickt und höflich an, daß nur selten Jemand sich enthalten konnte, ihnen die neuesten Journale, die Coursbücher der Eisenbahnen, oder Fahrpläne und kleine billige Reisebücher abzunehmen. Findling und Bob besaßen jeder einen Kasten, in dem die Zeitungen und Bücher so lagen, daß man die Titel und auch etwaige Illustrationen gut sehen konnte. und auch an Kleingeld, um wiederzugeben, fehlte es niemals. Natürlich verließ Birk seinen Herrn auch hier nie; er mochte sich als Geschäftstheilhaber oder wenigstens als Gehilfe desselben betrachten. Zuweilen lief er mit einem Zeitungsblatt in den Zähnen auf Vorübergehende zu und bot es diesen mit bezeichnenden Sprüngen an. Bald sah man ihn gar mit einem Korbe auf dem Rücken, worin die Preßerzeugnisse schon geordnet lagen und den ein Wachstuchdach gegen gelegentlichen Regen schützte.
Das war ein Gedanke Findlings gewesen, und gewiß kein so übler. Die Käufer mußten ja angelockt werden, wenn sie Birk so ernsthaft, so durchdrungen von der Wichtigkeit seines Dienstes sahen. Da war’s freilich mit tollen Sprüngen und mit Spielen mit Hunden aus der Nachbarschaft zu Ende. Wenn solche sich dem gescheuten Thiere näherten, da empfing er sie nur mit dumpfem
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