Der Findling
man nichts überflüssiges, sondern nur Bedarfsgegenstände einzukaufen pflegt. Für die nothwendigsten Gegenstände finden sich ja stets Käufer, wenn jene gut und nicht zu theuer sind. Das hatte die Erfahrung dem jungen Kaufmann schon gelehrt, als er noch mit dem Karren durch die Straßen von Cork zog und dann die Grafschaften von Munster und Leinster durchwanderte.
Ein wirkliches Magazin war es, treu bewacht von Birk, der jetzt nicht mehr zum Zugthier erniedrigt wurde. Der Laden führte ein in die Augen fallendes Schild mit der Inschrift »Zum kleinen Geldbeutel«, und darunter die Firma »Little Boy and Co.«
Little Boy, das war Findling; and Co., das war Bob… und ohne Zweifel auch Birk.
Das betreffende Haus in der Bedfort-Street bestand aus drei Stockwerken. Eine Treppe hoch wohnte darin der Besitzer O’Brien, ein früherer Colonialwaarenhändler, der sich nach erfolgreicher Thätigkeit vom Geschäft zurückgezogen hatte, übrigens ein rüstiger alter Junggeselle von fünfundsechzig Jahren, der mit Recht im Rufe eines hochachtbaren Mannes stand. O’Brien war natürlich nicht wenig erstaunt, als ein Kind von elfeinhalb Jahren kam, um einen seit einigen Monaten leerstehenden Laden im Erdgeschoß von ihm zu miethen. Die verständigen und praktischen Antworten aber, die er auf seine Fragen von dem Knaben erhielt, nahmen ihn schnell für diesen ein, und so kam ein Miethcontract bald zu Stande, vorzüglich, da der junge Miether sich erbot, den Zins für ein ganzes Jahr gleich im Voraus zu entrichten.
Der freundliche Leser wolle nicht vergessen, daß der Held unsrer Erzählung wegen seiner Größe und Schulterbreite älter erschien, als er war. Doch wenn man ihn auch für vierzehn oder fünfzehn Jahre schätzte, so erschien er doch jedem Fernstehenden gewiß noch als viel zu jung, um einen selbständigen Ladenhandel anzufangen, wenn dieser auch die bescheidne Bezeichnung »Zum kleinen Geldbeutel« trug.
Jedenfalls handelte O’Brien nicht, wie es vielleicht viele gethan hätten. Als sich der ordentlich gekleidete Knabe mit einer gewissen Sicherheit vorstellte, sein Anliegen klar und deutlich vorbrachte, da führte er ihn nicht ohne Erwiderung hinaus, sondern hörte ihn bis zum Ende ruhig an. Was er da von der Vergangenheit desselben, von seinem Handel in Cork, seiner Wanderung nach der Hauptstadt vernahm, das rief unwillkürlich sein Interesse wach. Er erkannte in Findling einen so gereiften Verstand, eine solche Klarheit der Gedanken, daß er an dessen glücklicher Zukunft gar nicht zweifeln konnte. Der alte Kaufmann versprach daher, Findling mit seinem Rathe beizustehen, indem er sich vornahm, alles, was sein junger Miethsmann thäte, zu beobachten.
Mit Unterzeichnung des Contractes und Zahlung des Miethpreises wurde Findling endgiltig zu einem der Ladeninhaber der Bedford-Street.
Der Phönix-Park in Dublin. (S. 347.)
Das an Little Boy and Co. vermiethete Erdgeschoß bestand aus zwei Räumlichkeiten, von denen eine nach der Straße, die andre nach dem Hofe zu lag. Die erste sollte als Geschäftslocal, die zweite als Schlafzimmer dienen. Nach dem Hofe schloß sich hieran noch ein Kämmerchen und eine Küche, wo eine Köchin hausen konnte… wenn einmal eine solche da war. Jetzt erschien eine solche für die zwei Knaben noch nicht nöthig. Sie wollten essen, wenn sie dazu Zeit hatten und keine Knaben zu bedienen waren. Zuerst immer die Kundschaft!
Auf Zuspruch konnte Findling ja rechnen, da er in seinem saubern Laden eine große Auswahl von Waaren bot. Mit dem nach Zahlung des Miethzinses übrig gebliebnen Geld hatte der junge Kaufmann alles von den Großhändlern und Fabrikanten gegen baar bezogen, und jetzt war der Bazar »Zum kleinen Geldbeutel« auf Tischen und Regalen reichlich ausgestattet.
Nach Beschaffung des nothwendigen Mobiliars für Laden und Schlafstube war von den hundertundfünfzig Pfund, die Findling mit nach Dublin gebracht hatte, freilich nur noch der dritte Theil übrig. Weitere Ausgaben vermied er weislich, um sich für den Nothfall eine Reserve zu sichern. Lücken, die in seinen Waarenvorräthen entständen, hoffte er mit den laufenden Einnahmen wieder füllen zu können.
Selbstverständlich verlangte eine geordnete Geschäftsführung die Anlage eines sogenannten Journals für die täglichen Verkäufe, ferner eines Hauptbuches – das Hauptbuch Findlings! – wo Einnahmen und Ausgaben eingetragen werden sollten, um jeden Abend die Richtigkeit der Casse prüfen zu können.
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